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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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diesen Aspekt in deinem Bericht berücksichtigen, oder nicht?«
    »Überzeugt«, sagte Fischer, »kann ich nicht sein. Ich kannte die Frau nicht.«
    »Und was ist mit dem Mädchen? Hat sie inzwischen gesagt, wer sie entführt hat?«
    »Nein. Vielleicht vertraut sie mir morgen etwas an.«
    »Wir haben schon heute, mein Herzensriese.«
    »Wie spät?«
    »Fünf nach halb zwei.«
    »Kommst du noch vorbei?«
    »Du mußt schlafen«, sagte Ann-Kristin.
    »Ja«, sagte Fischer, »mit dir.«
    »Übernimm dich nicht mit deinen einundfünfzig Jahren.«
    Da fiel ihm wieder ein, daß er gestern Geburtstag gehabt hatte.
    »Hat er sich über das Geschenk gefreut?« fragte Margret Weningstedt. Sie goß frischen Früchtetee in die Tasse ihres Mannes und warf einen Blick auf den ohne Ton laufenden Fernseher.
    »Offensichtlich«, sagte er und rieb sich die Brust. »Er hat sogar gelacht.«
    »Worüber denn?«
    »Über die roten Ohren des Buddhas.«
    »Seit wann hat ein Buddha rote Ohren? Schämt er sich?«
    »Die sind angemalt.« Er zeigte auf seine Ohrmuschel. »Da hinten.«
    »Ein buddhistischer Gott für einen ehemaligen katholischen Mönch! Ein gewagtes Geschenk.«
    »P-F kommt mit allen Göttern gut aus«, sagte Weningstedt; er streckte die Beine auf der Couch aus und stöhnte.
    »Alles in Ordnung?« fragte seine Frau.
    »Zu lange gesessen.« Er wollte nicht darüber sprechen. Gemeinsam schauten sie eine Weile die Nachrichtensendung an, ohne den Ton laut zu stellen.
    »Flirtet er immer noch mit eurer jungen Kollegin?«
    »Nein, sie flirtet mit ihm, oder so was Ähnliches.«
    Sie schwiegen, blickten zum Fernseher, griffen fast gleichzeitig zu ihren Teetassen.
    »Das beschäftigt mich«, sagte Margret und blies in ihre Tasse, »daß Polonius die Ermittlungen in dem Nonnenfall an Gesa und Georg abgegeben hat. Hat er Angst, mit seiner Vergangenheit konfrontiert zu werden?«
    Weningstedt stellte die Tasse auf die Glasplatte des Servierwagens. »Der Fall ist mehr oder weniger abgeschlossen, der Täter ist geständig, die Kollegen ermitteln nicht mehr, sie tragen nur noch Informationen zusammen. P-F muß sich um die Sache Schubart kümmern, wir stehen vor dem Durchbruch.«
    Margret setzte ihre Tasse ebenfalls ab und schob den Wagen zur Seite. »Ich hatte immer schon den Eindruck, daß der Grund, warum er ins Kloster eingetreten war, irgendwas mit dem Tod seiner Mutter zu tun gehabt hat. Glaubst du nicht?«
    »Das sagst du mir seit Jahren.« Weningstedt suchte die Fernbedienung, und als er sie unter einem Kissen entdeckte, betrachtete er sie lange, bevor er einen Knopf drückte. »Kann ja sein. Er spricht nicht darüber, auch nicht an seinem Geburtstag, auch nicht am Todestag seiner Mutter.«
    »Ist der jetzt?«
    »Heute«, sagte Weningstedt und schaltete den Ton ein. »Ich hab mir das Datum mal notiert. Er hat kein Wort darüber verloren. Morgen regnet’s wieder.«
    Vor einer Landkarte fuchtelte ein Meteorologe mit den Händen.
    »Ich würd gern am Wochenende wieder mal die Breitlings einladen, was hältst du davon?« fragte sie.
    »Wahrscheinlich habe ich Dienst«, sagte Weningstedt mürrisch.
    »Wie geht’s Walter?« fragte Margret. »War er beim Arzt?«
    »Gestern. Sein EKG ist in Ordnung.«
    Margret sah ihren Mann an, der zum Bildschirm starrte, als wolle er die Temperaturen auswendig lernen.
    Walter Gabler schaltete den Fernseher aus, das Licht im Wohnzimmer und im Flur und schlurfte ins Schlafzimmer, kippte das Fenster und legte sich ins Bett. Er hatte vergessen, wie der Wert hieß, mit dem der Zustand seiner Prostata gemessen wurde. Das einzige, was er wußte, war, daß der Wert zu hoch war. Zwar meinte der Arzt, er solle sich nicht beunruhigen, er würde erst noch einige Tests durchführen, ehe er sicher sagen könne, ob eine Operation notwendig sei. Aber die Bitte, er möge sich nicht beunruhigen, öffnete in Gabler die Urquelle aller Beunruhigungen.
    Auch wenn seine beiden Exfrauen ihn zeit ihrer Ehen einen Hypochonder genannt und seine Arztbesuche nie einen ernsthaften Befund ergeben hatten, hatte er es nicht geschafft, seine Panikattacken unter Kontrolle zu bringen. Außerdem handelte es sich dieses Mal nicht um eine Panikattacke. Dieses Mal hatte er tatsächlich einen zu hohen Wert, ganz gleich, wie dieser hieß, und er war in einem Alter, in dem solche Werte eine bedrohliche Rolle spielten.
    Er drehte sich auf die Seite und schloß die Augen. Dann öffnete er sie wieder und legte sich auf den Rücken. Er tastete seinen

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