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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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waren, hatten er und Mr. Pringle eine Weile verlegen über
Möglichkeiten geschwatzt, die Kapitalerwerbssteuer zu umgehen. Es schien das
einzig mögliche Gesprächsthema zu sein.
    Mr. Pringle schob seine Papiere
zusammen. Seine Formulare hatten wenig gebracht, wie er es schon befürchtet
hatte. Es stimmte, er kannte von den meisten das Alter, den Familienstand, die
Zahl der Kinder, aber keiner gab zu, daß er Christopher außerhalb des Studios
im Privatleben kannte. Vielleicht traf es ja wirklich für alle außer für Hilary
zu, aber es fiel ihm schwer, das zu glauben. Er fragte sich, ob Dorothy einwilligen
würde, ein Formular auszufüllen, jetzt, da Malcolm sich geweigert hatte.
Vermutlich nicht.
    Wer nicht verdächtigt wurde,
hatte im Detail geantwortet. Bertie Harrisons Antworten waren lakonisch. Auf
die Frage, ob er Christoph kenne, hatte er geschrieben: «Der Schweinehund
nannte mich eine alte Tunte und sagte, er werde mich rauswerfen.»
    Die Grundrisse des Regieraums
waren brauchbarer. Mr. Pringle benutzte den Entwurf, den Carl gezeichnet hatte,
und Jacks Skizze, um Carls Standort zu überprüfen. Alle anderen legte er
sorgfältig übereinander und prüfte die leichteste Abweichung. Bei der
Einschätzung der jeweiligen Aktionen anderer gab es viele Unterschiede. Mr.
Pringle hielt dies nicht für einen vorsätzlichen Versuch zu täuschen, sondern
in der Dunkelheit waren sich die Leute unsicher gewesen. Thelma hatte eine
Notiz hinzugefügt, die darauf hinwies.
    Er schaute auf die
schneckenartigen Linien, die er zur Darstellung der Bewegungen einer jeden
Person eingetragen hatte. Eine dieser Linien hatte er mit Absicht gezeichnet,
die anderen kamen einfach dazu als Resultat dieser Bewegung. Wenn er aufhörte
zu fragen, wer was getan haben könnte, und sich darauf konzentrierte, wer es
getan haben konnte, dann begann das Beweismaterial in eine Richtung zu zeigen.
    Er schaute auf seine Uhr.
Weniger als zehn Stunden bis zur amtlichen Leichenschau. War es der Polizei
besser ergangen? Er beneidete sie um ihre zahlreichen Hilfsmittel und die
forensische Wissenschaft, aber er bezweifelte, ob sie mehr Glück mit den
Aussagen gehabt hatte. Mr. Pringle wußte, daß die meisten Augenzeugen, entgegen
landläufiger Meinung, nur ein unzureichendes Erinnerungsvermögen haben. Die
Menschen sahen, was sie zu sehen erwarteten. Wenn Ereignisse nach einem
eingefahrenen Muster abliefen und es dann einen Bruch in der Routine gab,
konnte man sich auf Zeugen verlassen. Ansonsten benötigten sie häufig einen
Souffleur. Wie viele hatten ihm schon gesagt, sie hätten es sich anders
überlegt. Sie seien verwirrt worden durch das, was «ein anderer» gesagt habe.
Und wie lange hatten sie zusammen in der Nachrichtenredaktion gesessen — unter
Aufsicht der Polizei, gewiß — und die Sache immer wieder durchgesprochen, wobei
einer von ihnen die anderen vorsätzlich hätte irreführen können?
    Diese Gruppe und die Fremden,
die sich gleichzeitig im Regieraum drängelten, waren zweimal in Dunkelheit
getaucht worden. Und in einem dieser Zeiträume hatte jemand gerufen: «Nein.»
War es bei der ersten oder der zweiten Gelegenheit gewesen? Oder hatte
überhaupt jemand gerufen? Nur der Mörder wußte es bestimmt.
    Mr. Pringle schloß leise die
Tür und ging die Treppe hinauf. Er hoffte, die medizinische Beweisaufnahme am
nächsten Tag werde nicht zu verwirrend sein. Er merkte sich, daß er zum
Frühstück einen trockenen Toast haben wollte. Ein Gedanke ging ihm durch den
Kopf, ausgelöst von einer Bemerkung, die er heute gehört hatte. Falls sie
stimmte, war das Mordmotiv gewiß eines der ältesten, das man sich vorstellen
konnte. Er öffnete die Tür zum Schlafzimmer und schlüpfte hinein.

KAPITEL 10
     
     
    «Vor
der Teestunde war es eine ziemlich langweilige Angelegenheit, aber die Zeit vor
der Teestunde dauerte nicht lange...» Jane Austen, Briefe
     
    Freitag, 6. April 1984,
vormittags
    Im Gerichtssaal war es viel zu
heiß. Mr. Pringle hatte das Gefühl, als schwimme sein Verstand. Die
Ü-Wagen-Besatzung von Bath & Wells hatte überall Scheinwerfer
installiert. Die Polizei gestattete sie so lange, bis ihre Ankunft für die
Sendung aufgezeichnet worden war, dann ordnete sie sehr korrekt an, die gesamte
Ausrüstung abzubauen. Aber dann war es zu spät, auch die Weichstrahler der
Fotografen wegzuräumen. Sie brannten weiter, so daß die Hitze in dem getäfelten
Raum nahezu tropische Formen annahm.
    Mr. Pringle war zwischen
Jonathan und Jack

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