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Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Ihr Auftritt, Mr. Pringle!

Titel: Ihr Auftritt, Mr. Pringle! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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Bignall. «So früh geht sie
nämlich nie zu Bett.»
    Als Mr. Pringle die Haustür
öffnete, nahm er einen schrecklichen Geruch wahr. Wild und intensiv, brachte
unglückliche Erinnerungen an den Zoo zurück. Begleitet wurde er von einem
teuflisch jaulenden Ton. Er blieb kerzengerade stehen, zu erschreckt, um sich
zu rühren. Mrs. Bignall umklammerte seinen Arm. «Oh, Mr. P., was ist das?» Sie
starrten in die Dunkelheit. Gelbe Augen schimmerten zurück.
    «Bist du es, Mavis? Ich dachte,
ihr würdet nie wiederkommen.» Florence Pughs Stimme kam zitternd aus der Leere.
    Mr. Pringle wußte, er mußte
handeln wie ein Mann. Er streckte die Hand aus, machte das Licht an und griff
nach einem Schirm im Flurständer.
    Florence kauerte auf der Treppe
hinter einem Schürhaken. «Nicht! Durch das Licht wird er gereizt.»
    Mitten im Korridor stand ein
Katzenkorb. Der Insasse, alle vier Pfoten am Netz, versuchte verzweifelt,
herauszukommen. Jede Kralle glänzte unter der Vierzig-Watt-Glühbirne,
braungelbes Fell sträubte sich, und die Augen glühten vor Wut.
    «O weh!» flüsterte Mavis.
«Glaubst du, daß es Tinker ist?» Sie und Mr. Pringle erinnerten sich
gleichzeitig an die kleine alte Dame. Zusammen traten sie den Rückzug an.
    «Laßt mich nicht allein», rief
Florence. «Der Hund ist auch noch hier.»
    Unter dem Tisch rührte sich
etwas. Zuerst hielt Mr. Pringle es für einen kleinen Teppich, als es sich dann
hinsetzte — die um den Treppenpfosten geschlungene Leine machte jede weitere
Bewegung unmöglich —, erkannte er Winifred. Sie öffnete ihr großes Maul zu
einem Winseln. Ein enormer Schwall widerlicher Atemluft vermischte sich mit dem
Geruch der Katze, und Mr. Pringle sah, daß die Hündin keine Zähne mehr hatte.
Obwohl er müde war, konnte er zwei und zwei zusammenzählen.
    «Petronella ist wieder da?»
    «Sie war hier und ist wieder
gegangen, während ich im Garten war», sagte Mrs. Pugh grollend. «Sie und dieser
Tierarzt haben die Tiere abgestellt, wo sie jetzt sind. Sie hat eine Nachricht
hinterlassen...» Mrs. Pugh hielt inne. Mrs. Bignall setzte sich vorsichtig in
Bewegung. Die Katze fauchte, als sie an ihr vorbeiglitt. «Verlaß mich nicht,
Mavie», flehte Mrs. Pugh, aber Mrs. Bignall war bereits verschwunden. Winifred,
die in ihrer Erinnerung Mr. Pringle vielleicht als Freund ansah, versuchte,
aufzuspringen, und wurde vom Halsband gewürgt. Mrs. Pugh verzog sich die Treppe
weiter hinauf. «Sie will was von mir — und ich habe kein Hundefutter.»
    «Sie frißt kein Hundefutter»,
erwiderte Mr. Pringle. «Sie heißt Winifred und hat Schokoladenkekse gern.»
    Mrs. Pugh sank stöhnend auf die
Knie. «Petronella hat die letzten vor zwei Tagen gegessen.»
    «Was steht in ihrer Nachricht?»
    «Sie und der Tierarzt sind auf
der Flucht, sie verstecken sich vor seiner Frau. Sie haben den Hund
mitgenommen, weil er ein künstliches Gebiß braucht. Gott weiß, wie lange das
dauern wird — auf meins mußte ich vierzehn Tage warten.» Florences Kinnbacken zitterten.
«Sie kann nicht so lange hierbleiben. Und was ist, wenn die Katze rauskommt?
Sie könnte uns alle fressen in diesem Zustand.»
    Mrs. Pugh wollte gerade zu
weinen anfangen, als sich die Küchentür öffnete und Mavis mit einem Eimer
herausgeschwankt kam. «Macht Platz!» forderte sie. «Ich werde dem Biest eine
Lektion erteilen.» Und sie goß den Eimer über dem Korb aus.
    Tinker fauchte vor Wut.
Winifred entleerte ihren Mastdarm, und Florence Pugh schrie vor Zorn: «Wie
kannst du es wagen? Der Tisch ist aus Mahagoni.»
     
     
     

KAPITEL 9
     
     
    «Und
dennoch, wie zahlreich waren die Beispiele, um auch den dunkelsten Argwohn zu
rechtfertigen!» Jane Austen, Northanger Abbey
     
    Freitag, 6. April 1984, vor
Sonnenaufgang
    Später, viel später, nahm Mr.
Pringle die Brille ab und rieb sich die schmerzende Stelle auf der Nase. Seine
Knie waren steif, obwohl er sie zugedeckt hatte. Er reckte abwechselnd alle
Gliedmaßen, bemüht, die Gelenke nicht knacken zu lassen. Tinker war jetzt in
der Spülküche, Winifred im Garten angebunden, aber das leichteste Geräusch ließ
sie beide hysterisch werden.
    Petronella war mit ihrem
Tierarzt wieder in Zimmer 3, allerdings mit der Auflage, baldigst auszuziehen.
Nur mit Mühe konnte Mrs. Pugh überredet werden, sie noch eine Nacht bleiben zu
lassen. Für einen Mann, der zehntausend Pfund geerbt und obendrein ein leidlich
junges Mädchen gewonnen hatte, sah der Tierarzt äußerst unglücklich aus. Als
sie unter sich

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