Ihr Freund, der Ghoul
wäre?«
Ich hatte an einen Kaktus gedacht, sprach es aber nicht aus. Ehe sie noch nachfragen konnte, meldete sich glücklicherweise das Telefon. Bevor ich abhob, sagte ich ihr, dass es wohl ein Dienstgespräch wäre. Sie verschwand und schmetterte die Tür hinter sich zu. So kam ich erst dazu, den Hörer beim fünften Klingeln abzuheben.
»Dem Himmel sei Dank, ich dachte schon, Sie wären nicht mehr da.«
Die Stimme kam mir zwar bekannt vor, ich wusste aber nicht, wo ich sie einordnen sollte. »Wer sind Sie denn?«
»Ziegler.«
»Der Schleusenwärter.«
»Ja, Sir, genau der.«
»Haben Sie wieder Gebeine gefunden?«
»Nein, das nicht, aber es ist etwas anderes passiert. Das ist vielleicht sogar noch schlimmer.« Er räusperte sich und zog dabei auch seine Nase hoch. »Hier… hier stinkt es!« sagte er.
»Wieso?«
»Nach Leichen und Moder, Gruft, Friedhof und Blut. Alles ist vorhanden. Das stinkt, kann ich Ihnen sagen.«
Mein Gesicht war ernst geworden. »Haben Sie herausgefunden, woher der Geruch stammt, Mr. Ziegler?«
»Nein, der ist überall.« Ich hörte ihn schnaufen. »Wo ich stehe und rieche, da füllt immer dieser Leichengeruch meine Nase.«
»Kann er auch vom fauligen Wasser stammen?«
»Glaube ich nicht.«
»Und weshalb haben Sie mich angerufen, Mr. Ziegler?«
Der Schleusenknabe lachte. »Ich dachte, dass Sie hier mal reinriechen.«
Ich überlegte. Vielleicht sollte ich wirklich mal wieder zur Kläranlage fahren. Wenn Ziegler tatsächlich recht behalten hatte und es dort so stark nach Moder und Verwesung stank, wurde meine Ghoul-Theorie immer wahrscheinlicher. Auch diese Geschöpfe riecht man, bevor man sie überhaupt zu Gesicht bekommt.
»Sind Sie noch dran, Sir?«
»Ja.«
»Ich dachte schon, Sie wären verschwunden, weil der Geruch auch durchs Telefon strömt.«
»So schlimm ist es nicht.«
»Kommen Sie?«
Er hatte mich direkt gefragt und bekam auch von mir eine direkte Antwort. »Jawohl, ich werde zu Ihnen kommen.«
Sein Aufatmen erreichte sogar meine Ohren. »Das ist gut, Sir, ich warte auf Sie.«
»Tun Sie das.« Ich legte auf. Die Putzfrau rumorte noch im Vorzimmer herum. Dabei sang sie ein altes irisches Volkslied. Als ich die Tür öffnete, drehte sie sich um. Sie warf einen Blick auf meinen Mantel.
»Machen Sie jetzt Feierabend, oder stürzen Sie sich ins Nachtleben?«
»Ins Nachtleben, meine Liebe. Geschlafen habe ich ja. Jetzt geht es rund. Da wird der Bär losgemacht.«
»Weiber, wie?«
»Und Männer!« grinste ich, winkte ihr zu, sah ihr erstauntes Gesicht und freute mich, dass es mir gelungen war, sie sprachlos zu erleben. Das war aber auch die letzte Freude für die nächste Zeit…
***
Geschafft! Ich habe es geschafft. Der verdammte Bulle ist vernichtet, und ich bin frei!
So und nicht anders dachte Eve Bennett nach dem geglückten Start des R4. Sie schaltete schnell hoch. Rascher, als es dem Wagen und dem Getriebe gut tat. Es hörte sich an, als würde jemand darin herumstochern, außerdem bockte das Auto.
Ihr Blick fiel in den Außenspiegel. Tropfen behinderten ihre Sicht. Sie klebten auf den glänzenden Flächen. Verfolger konnte sie keine entdecken, hinter ihr blieb alles ruhig und auch dunkel. Dann überholte sie die drei Männer. Die Burschen schauten noch auf ihren Wagen, der sehr schnell gefahren wurde. Ihre Kommentare hörte das Mädchen nicht.
Allmählich geriet sie in die Lage, über ihr Schicksal nüchtern nachzudenken. Sie spürte kaum Bedauern, aber sie war sich sicher, dass sie es hatte tun müssen. Es war ihr nichts anderes übrig geblieben. Der Polizist hätte alles gesehen.
Nur - war er tot?
Da war sich das Mädchen nicht sicher. Eve wusste nicht genau, ob sie voll getroffen hatte. Der Bobby war zusammengebrochen, sie hatte das Blut gesehen, nichts mehr von seinem Gesicht, und eigentlich hätte er nicht mehr leben können. Aber darauf wollte sie lieber keine Burg bauen. Flucht war jetzt das einzig Wahre.
Der kleine R4 schien über die nasse Straße nur so hinwegzuschweben. Selten war sie innerhalb der Stadt so schnell gefahren. Das Tempo durfte sie nicht durchhalten, irgendwann rollte sie einer Polizeistreife entgegen, und die würde sie anhalten.
Ein Ziel hatte sie.
Eve wusste, wo ihr großer Freund lebte. Bisher hatte sie ihn stets beschützt und für ihn gesorgt. Jetzt musste er sich ihr endlich erkenntlich zeigen. Versprochen hatte er es ihr allemal.
Es war noch nicht sehr spät geworden. Dementsprechend viel Verkehr herrschte. Als
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