Ihr Freund, der Ghoul
sie belebtere Gegenden erreichte, die musste sie zwangsläufig durchfahren, geriet sie in die ersten Verkehrsstaus. Ein paar Mal hörte Eve auch das Jaulen einer Polizeisirene. Immer hatte sie das Gefühl, es würde ihr gelten, aber man ließ sie in Ruhe. So langsam wich auch der Druck. Eve wunderte sich darüber, wie gut sie bisher alles überstanden hatte. Sie war mit ihrem Schicksal fertig geworden, und sie hoffte auch, es weiterhin meistern zu können. London lag im Lichterglanz. Er besaß schon einen vorweihnachtlichen Touch. An den Schaufenstern der Geschäfte hingen Lichterketten. Manche Lampen leuchteten bunt, andere einfach nur weißgelb. Auch die Schaufenster der Geschäfte zeigten längst die Weihnachtsdekoration. Künstliche Tannenbäume sahen ebenso kitschig aus wie die zahlreichen Nikoläuse und pausbäckigen Engel.
Ihr Ziel war der große Freund. Und der hauste nun mal dort, wo die Menschen ein Klärwerk errichtet hatten. Einige Meilen hatte sie noch zu fahren. Es lag zwar nicht am Stadtrand, jedoch ziemlich weit draußen, wo es noch mehr Natur als Häuser gab.
Es fing wieder an zu regnen. Zudem war es wärmer geworden. Dunstschleier lagen über manchen Teilen der Fahrbahn. Aus den Gullys drang der Nebel als dicke Wolke.
Die Lichter der Scheinwerfer brachen sich in den zahlreichen Tropfen. Manchmal wurden sie zu kleinen, explodierenden Sonnen. Und wieder hatte Eve freie Fahrt. Sie fuhr auf der linken Spur. Sehr zügig, aber sie achtete jetzt auf die Verkehrsregeln. Manchmal rollte sie durch Pfützen. Da spritzte das Wasser dann fontänenartig nach zwei Seiten weg. Die City lag hinter ihr. Sie rollte durch Wohngebiete, und zum erstenmal seit längerer Zeit zuckte wieder ein Lächeln über ihre Lippen. Eve glaubte, es geschafft zu haben.
Der Hals war ihr trocken geworden. Sie hätte jetzt gern etwas getrunken, aber sie musste sich zusammenreißen. Später war alles anders. Da fühlte sie sich dann besser.
Die Heizung lief auf vollen Touren. Es war viel zu warm im Wagen. Eve öffnete ein Fenster. Wind und Nässe drangen in den R4, und sie hörte auch das Schmatzen der Reifen auf der nassen Straße. Und sie sah das Flackern. Weit hinter ihr, nur mehr ein Widerschein in der Düsternis, doch Eve wusste, dass es ein Polizeiwagen war, der sich auf ihre Spur gesetzt hatte. Ob bewusst oder unbewusst, würde sich noch herausstellen. Automatisch trat sie das Gaspedal tiefer. Sie konnte von der Straße nicht mehr weg und musste sie durchfahren bis zu ihrem Ende.
Der Polizeiwagen holte auf.
Viele, die rechts auf der Überholspur fuhren, wichen schon nach links aus. Auch Eve gehörte dazu. Wenn sie allein links blieb, kam sie sich vor wie auf dem Präsentierteller.
Der Polizeiwagen rauschte heran. Die Männer hatten auf das Tempo gedrückt. Nur das Blaulicht drehte sich. Auf das Einstellen der Sirene hatten die Beamten verzichtet. Auf gleicher Höhe fuhr er mit ihr. Eve Bennett zwang sich, geradeaus zu sehen. Nur keinen Blick nach rechts werfen, sie hätte sich nur verdächtig gemacht. Und doch besaß das Mädchen nicht die Nerven, nur nach vom zu schauen. Eve schielte auch zur Seite.
Es war nur ein kurzer Blick, aber der hatte gereicht. Eve erkannte, dass einer der beiden Polizisten sich auf ihren Wagen konzentrierte. Er schaute ihn genau an, sprach auch mit seinem Kollegen, und der nickte nur. Dann war der Streifenwagen vorbei.
Eves Herz klopfte schneller. Auf dieser geraden Ausfallstraße waren ihr die anderen immer überlegen. Wenn sie etwas entdeckt hatten und sie ihnen entkommen wollte, musste sie sich schon etwas einfallen lassen und runter von der Fahrbahn.
Sie befand sich praktisch schon in Maida Vale, einem der nordwestlichen Londoner Vororte. Dort lag auch ihr Ziel, und sie entschloss sich, die nächste Abfahrt zu nehmen.
Es dauerte nicht einmal lange, bis sie die Straße kreuzen konnte. Einfach runter. Die Reifen jaulten, der Wagen schaukelte gefährlich, aber er kippte nicht.
Hinter ihr wurde gehupt und aufgeblendet, weil sie andere Fahrer geschnitten hatte. Das war nun vorbei, als sie in die Abfahrt hineinrollte und fast auf einem Grünstreifen gelandet wäre, weil das Tempo eben noch zu hoch gewesen war.
Hatte sie endlich freie Bahn?
Über ihr Gesicht zuckte ein Lächeln. Sie rollte in den leeren Kreisverkehr hinein und fuhr in Richtung der B.B.C. Studios. Hinweisschilder standen dort genug. Auch Peitschenleuchten wiesen ihr den Weg. Von einem Polizeiwagen sah sie nichts.
Die Studios
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