Ihr letzter Tanz
Kann’s kaum erwarten. Ich weiß, dir geht es nicht anders.
„Sehr witzig“, murmelte sie.
Sie schenkte sich eine Tasse ein, lehnte sich gegen den Tresen und verspürte ein leichtes Schaudern. Von der wilden ungestümen Begierde, die ihre Erinnerung und ihre Sinne angeregt hatte, war nichts Wirklichkeit geworden. Stattdessen hatte sie tief und erholsam durchschlafen können.
Unwillkürlich fragte sie sich, was von beidem sie dringender gebraucht hätte.
Wieder meldete sich dieser Schmerz, weil er sie benutzt hatte, um seine Ermittlungen voranzutreiben …
Aber zugleich kam er ihr wie ein anständiger Kerl der Sorte vor, der man im Leben nicht so oft begegnete.
Wäre es wirklich so schlimm, sich später an eine zweite, genauso wundervolle Begegnung mit ihm erinnern zu können?
Halt! ermahnte sie sich.
Sie musste ihn heute unterrichten, und dabei wollte sie nicht spüren, dass irgendwelche Funken übersprangen, sobald sie sich berührten. Außerdem lag noch ein anstrengender Tag vor ihr. Gunter und Helga wollten für Asheville trainieren, Richard Long hatte gleich zwei Stunden gebucht, für Jane und Sam musste sie das Coaching übernehmen, und am Abend wartete die Studioparty auf sie, bei der die Schüler mit ihren Lehrern tanzten, um die erlernten Schritte in die Praxis umzusetzen.
Ein Klopfen an der Haustür riss sie aus ihren Gedanken. In ihrem langen Flanellnachthemd ging sie zur Tür und sah durch den Spion.
Draußen stand Gordon.
Unbehagen kam in ihr auf, als sie daran denken musste, wie angespannt er am Abend zuvor im Studio auf sie gewirkt hatte.
Shannon zögerte. Er stand auf der Veranda, die Hände in die Taschen geschoben, und sah sich um. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr klopfte er wieder, diesmal lauter.
„Shannon, was zum Teufel treibst du denn?“ rief er.
Es war helllichter Tag, und Gordon stand vor ihrem Haus. Das war nichts wirklich Ungewöhnliches, auch nicht, dass er so ungeduldig war. Er hatte schon oft morgens bei ihr angehalten, wenn er sie ins Studio mitnehmen wollte.
Als sie endlich aufmachte, sah er sie erstaunt an. „Wie, du bist nicht unterwegs, um Männer zu verführen?“
Sie verzog den Mund. „Ich bin eben erst aufgestanden.“
„Schön, dann geh schnell duschen und komm mit.“
„Wohin?“
„Essen.“
„Ich habe heute einen wirklich vollen Terminplan“, erwiderte sie.
„Essen musst du trotzdem. Jetzt lass deinen alten Boss nicht im Stich. Ich möchte im Moment nicht allein sein.“
„Dann schenk dir einen Kaffee ein – ich brauche noch ein paar Minuten.“
Auf dem Weg ins Schlafzimmer klingelte ihr Telefon.
„Soll ich abnehmen?“ rief Gordon.
„Nein, ich gehe schon ran.“ Sie nahm den Hörer und sah gleichzeitig auf die Uhr. Zehn Uhr! Heute hatte sie aber wirklich lange geschlafen.
„Ja?“
„Ich bin’s, Quinn. Können wir uns in einer halben Stunde bei Nick’s treffen?“
„Im Moment habe ich Besuch, und heute steht mörderisch viel auf dem Terminplan.“ Sie zuckte zusammen, als ihr bewusst wurde, wie gedankenlos sie das Wort
mörderisch
benutzte.
„Es ist wichtig.“
„Ich gehe gleich zum Essen.“
„Ich habe den Kellner gefunden.“
„Wen?“
„Den Kellner, der dir gesagt hat, dass du die Nächste bist.“
„Mein Boss ist hier“, sagte sie rasch. „Wir gehen essen.“
„Gordon Henson ist bei dir? Jetzt gerade?“
„Ja, wir gehen gleich zum Frühstück oder Brunch.“ Sie sah zu Gordon, der so wirkte, als interessiere ihn nicht, was sie zu besprechen hatte. Dennoch konnte er jedes Wort hören, wenn er nur wollte.
„Sag ihm, dass ich vorbeikomme und euch beide abhole“, erklärte Quinn.
„Nicht so schnell!“
„Tu es einfach. Sag ihm, ich komme vorbei. Erzähl ihm, wir müssten uns über die Fahrt zur Bucht unterhalten. Er muss wissen, dass ich auf dem Weg bin.“
„Schon gut, aber warum …?“
„Geh in dein Zimmer und schließ ab. Sag ihm, dass ich jeden Augenblick da sein werde.“
Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, und im Flüsterton fragte sie: „Es war Gordon, stimmt’s?“ Sie hielt den Hörer fest umklammert.
„Ja, es war Gordon. Und er hat den Kellner nicht nur gebeten, das zu dir zu sagen, er gab ihm auch noch einen Fünfziger. Leg auf, schließ dich ein und warte, bis ich da bin.“
„Verstanden.“
Sie war so nervös, dass sie fast den Telefonhörer fallen ließ, als sie versuchte, ihn in die Basisstation zurückzustellen. „Das war Quinn“, rief sie. „Er ist schon auf
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