Ihr letzter Tanz
Hause gab es nicht viel zu tun, denn sie selbst hielt sich auch an die Vorgabe, in lässiger Kleidung auf dem Boot zu erscheinen. Sie entschied sich für eine Jeans und ein Top mit Trägern. Obwohl Marnie so extrem schlank war, fand Shannon für sie ein Cocktailkleid, das ihr wie angegossen passte. Außerdem brachte sie Marnie dazu, endlich aufzuhören, sich für jedes kleine Teil zu bedanken, indem sie ihr deutlich machte, dass das Studio auf sie angewiesen war.
„Du kannst dir bloß nicht vorstellen, wie toll das ist“, sagte Marnie. „Mich hat bis jetzt noch nie jemand gebraucht.“
Um sechs Uhr trafen sie am Hafen ein. Gordon war bereits an Bord und wirkte überglücklich. Er erklärte Shannon die Sitzordnung im Salon und stellte sie dem Caterer und der Crew vor. Büfett-Tische säumten ringsum die Tanzfläche im großen Salon. Das Trio würde im hinteren Teil spielen, so dass man es auch an Deck hören konnte.
Shannon war überrascht, Quinn nirgends entdecken zu können. Gordon erklärte, der habe noch ein paar Dinge zu erledigen, werde aber bis um sieben Uhr eintreffen.
Die Fahrt schien bis ins kleinste Detail geplant zu sein und entsprach dem, was Quinn versprochen hatte. Das Boot war perfekt und hatte genau die richtige Größe für die gut fünfzig Gäste. Schon weit vor sieben Uhr kamen die ersten Teilnehmer an Bord.
Die Mitarbeiter des
Moonlight Sonata
säumten den Bootssteg und begrüßten die Freunde und Schüler, die in kleineren Gruppen ankamen.
„Das war ja klar, dass der alte Mr. Clinton als Erster eintreffen würde“, sagte Sam.
„Weißt du“, zog Shannon ihn ein wenig auf. „Sein Vorname ist John, nicht
der alte Mister
.“
„Ich rede ihn ja nicht mit ,alter Mr. Clinton‘ an“, hielt er dagegen.
„Oh, mein Gott! Er hat die alte Mrs. Clinton mitgebracht“, flüsterte Rhianna, als sie sah, dass sich eine vor Energie strotzende kleine, weißhaarige Lady bei ihm untergehakt hatte.
„Seine Frau ist doch vor Jahren gestorben“, warf Gordon ein.
„Dann hat er sich wohl eine Freundin angelacht“, meinte Ben daraufhin.
„Ich weiß, was da los ist“, sagte Ella leise. „Er wohnt in einem Seniorenheim, in dem paradiesische Zustände herrschen – doppelt so viele Frauen wie Männer. Und wenn da ein Mann tanzen kann, dann hat er die freie Wahl und muss nicht mal freundlich fragen.“
Mr. Clinton stellte seine Begleiterin vor, eine Seniorin namens Lena Mangetti. Sie machte einen reizenden Eindruck und war sehr erfreut darüber, die Fahrt mitmachen zu dürfen. Sie betraten das Boot, die nächsten Gäste folgten, darunter auch eine Gruppe vom Schwesterstudio in Broward. Die Longs trafen zusammen mit den Beckhams ein, einem Paar, das ebenfalls gemeinsam Unterricht nahm. Katarina und David brachten Gabe mit. Sie hatten sich ein Taxi geteilt, um sich ein paar Drinks genehmigen zu können. Christie, die Schülerin und Preisrichter zugleich war, kam wie üblich mit ihrem Hund, ohne den sie nicht aus dem Haus ging. Egal, ob die anderen Schüler Hunde liebten oder nicht, von diesem Tier zeigten sich regelmäßig alle begeistert.
Erst als sie schon fast ablegen wollte, traf Quinn mit seinem Bruder im Schlepptau ein.
„Du hättest beinahe deine eigene Party verpasst“, sagte Shannon freundlich.
„Aber nur beinahe“, gab er zurück, ohne sie anzulächeln.
Doug warf Quinn einen verärgerten Blick zu und wandte sich kopfschüttelnd an Shannon: „Ich habe es auch noch geschafft, aber er hat wohl gar nicht gemerkt, dass ich direkt hinter ihm war.“ Er versuchte immer besonders freundlich zu sein, wenn sein Bruder sich wieder einmal wie ein Rüpel verhielt.
Quinn ignorierte Doug und ging weiter.
O ja, dieser Mann ist so in mich verliebt
, dachte Shannon zynisch,
er kann ohne mich gar nicht mehr leben.
Sie sah zu Doug.
„Sag noch niemandem etwas davon“, flüsterte er. „Aber … der Kellner wurde umgebracht. Angeblich ist er in einen Bandenkrieg geraten, aber Quinn glaubt das nicht.“
„Welcher Kellner?“ fragte sie.
„Dieser Manuel Taylor.“
„Was?“ zischte sie.
„Bleib bitte ruhig“, gab er zurück. „Er wurde erschossen, keine Überdosis. Es hat nichts mit uns zu tun. Es ist alles in Ordnung.“
Sie hoffte inständig, dass es nichts mit dem Studio zu tun hatte.
Shannon war entsetzt, aber sie konnte es sich nicht leisten, sich mit Quinns Mutmaßungen zu befassen. Es gab zu viel zu tun. Als es endlich losging, wurde sie von allen Seiten mit Fragen bestürmt.
Weitere Kostenlose Bücher