Ihr letzter Tanz
da“, sagte Jake.
„Wieso? Hast du etwa zu wenig zu tun?“
Jake schüttelte den Kopf und knibbelte am Etikett seiner Bierflasche. „Nein, aber Mord ist Mord. Ob er nun offensichtlich ist oder nicht. Wenn du auf irgendetwas stößt, dann werde ich für dich nachfragen.“
„Gut, danke.“
„Wir spielen heute Abend bei Nick zu Hause Poker. Wenn du willst, kannst du hinkommen.“
„Ich glaube, ich gehe heute Abend lieber in einen Club.“
„Lass mich raten. Ins
Suede
?“
„Genau. Willst du das Pokerspiel absagen und mitkommen?“
Jake schüttelte den Kopf. „Man könnte mich wiedererkennen.“
„Wieso das?“
„Ich war da, als ganz in der Nähe eine tote Nutte gefunden wurde.“
„Wurde der Fall aufgeklärt?“
„Nein.“ Jake sah ihn an. „Die Kleine wies kaum Einstichstellen auf, aber sie hatte es geschafft, sich eine Überdosis zu spritzen.“
„Mord oder kein Mord?“
„Ich habe den Fall noch nicht abgeschlossen“, erwiderte Jake. „Gefunden habe ich noch nichts, aber ich habe ihn auch noch nicht als ungeklärt abgelegt. Manchmal sind Drogenfälle die einfachsten, weil die Jungs vom Drogendezernat die Junkies kennen. In diesem Fall jedoch nicht. Sie haben in allen einschlägigen Clubs nachgefragt, aber nichts herausfinden können. Sie hieß Sally Grant und sprach ihre Freier auf der Straße an. Keine Stammkunden, so wie es aussieht. Zeugen gab es keine, es fand sich niemand, der sie in den Tagen zuvor gesehen hatte. Einfach ein totes Mädchen mit einer Nadel im Arm.“
„Fingerabdrücke?“ fragte Quinn.
„Nur ihre eigenen, aber das lässt sich arrangieren.“
„Verdammt viele Tote mit einer Überdosis, muss ich sagen“, merkte Quinn an.
„Jeder Gerichtsmediziner wird dir bestätigen, dass Tag für Tag Dutzende von der Sorte auf den Obduktionstischen landen. Legale Substanzen genauso wie illegale. Aber merkwürdig ist das Ganze schon. Zwei tote Tänzerinnen durch eine Überdosis Xanax, eine tote Nutte durch zu viel Heroin. Es
kann
eigentlich keine Verbindung geben, aber vielleicht gibt es die ja doch. Könnte doch sein, dass Tanzen der Gesundheit schadet.“
„Die Prostituierte hat auch getanzt?“
„Nicht, dass ich wüsste. Sie wurde bloß in der Nähe des Studios aufgefunden, aber das muss nichts bedeuten.“
„Wurden die Mitarbeiter des Studios dazu befragt, ob die junge Frau mal da war?“
„Ja, aber keiner von den Lehrern hat je mit ihr zu tun gehabt.“
„Okay. Danke fürs Essen, Jake.“
„Halt mich auf dem Laufenden.“
„Werde ich machen.“
Quinn verließ das Lokal und ging zu seinem Boot, um sich umzuziehen. Es war eine Ewigkeit her, dass er das letzte Mal einen Strandclub besucht hatte.
Was sollte er dafür bloß anziehen? Was trug man heutzutage in einem Club?
5. KAPITEL
„I st es Ihre Absicht, dass ich neben Ihnen glänze?“
„Wie bitte?“ erwiderte Shannon.
Sie war heute wirklich nicht bei der Sache. Erst diese eigenartige Unterrichtsstunde mit Quinn O’Casey, vor der sie am liebsten schreiend die Flucht ergriffen hätte, wenn ihre Geduld nicht stärker gewesen wäre.
Und jetzt Richard.
Wenn sie mit Richard tanzte, wollte sie allerdings nicht schreiend davonlaufen. Er war gut, sehr gut sogar. Von Beruf war er Arzt, und er hatte gemerkt, dass Tanzen für ihn ein idealer Ausgleich zu seiner Arbeit war. Zwar arbeitete er nicht als Neurochirurg, aber aus Sicht seiner Patienten war das, was er machte, sogar noch viel anspruchsvoller, wie er einmal im Scherz erklärt hatte – er war Schönheitschirurg. Ihm vertrauten Menschen ihr Aussehen an – das Wichtigste auf der Welt für sie. Er „reparierte“ die Alten und die Jungen, die Berühmten und die Reichen. Sein Name tauchte quer durch die Zeitschriftenlandschaft in allen Klatschspalten auf, und ein Magazin hatte ihm sogar den Titel „König des Botox“ verliehen.
Wie alt er war, wusste Shannon nicht, tippte aber auf Anfang vierzig. Er war körperlich in bester Verfassung, und wenn er nicht operierte oder tanzte, dann verbrachte er seine Zeit gern auf dem Golfplatz. Seine Bräune war das ganze Jahr über immer gleich intensiv und betonte sein volles, fast platinblondes Haar und die grauen Augen. Richard war mit einer Kinderärztin verheiratet, die gelegentlich auch mitkam, aber keine so begeisterte Tänzerin wie ihr Mann war. Sie ging lieber tauchen und verbrachte ihre Freizeit am liebsten auf einem Boot. Es schien so, als würden sie die perfekte Beziehung führen. Wenn sie
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