Ihr letzter Tanz
eine Mauer. Ich mache das nicht.“
„Was soll das?“ Sie musste unwillkürlich lachen. „Auf einmal meint jeder, er müsse für mich den Psychoanalytiker spielen. Mir geht’s gut!“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Erzählt dir das jeder?“
Sie schüttelte den Kopf. Ihr war mit einem Mal nicht mehr danach, von Quinn zu erzählen, der eine ganz ähnliche Beobachtung gemacht hatte. „Vergiss es. Ich wohne da vorn.“
Gabriel mimte den Beleidigten. „Als ob ich nicht wüsste, wo du wohnst.“
Er fuhr vor und stieg aus, um ihr die Tür aufzuhalten. „Gabe, mir geht’s gut“, hielt Shannon ihn zurück und wollte selbst die Tür aufmachen.
„Du selbst hast es mir beigebracht: Beim Tanzen führt immer der Mann. Und von mir lernst du, dass der Mann einer Dame immer die Wagentür aufhält und sie bis zu ihrem Haus begleitet.“
Wieder musste sie lachen. „Also gut, Gabe, ich gebe mich geschlagen.“
Er kam herum, machte die Tür auf und half ihr beim Aussteigen. „Wenn du vernünftig wärst, dann würdest du dich Hals über Kopf in mich verlieben. Zusammen würden wir die Welt beherrschen.“
„Ich bin sogar sehr vernünftig, und genau deshalb werde ich mich niemals in dich verlieben. Außerdem möchte ich nicht die Verantwortung auf mich nehmen, die Welt zu beherrschen.“ Sie schloss die Haustür auf, dann drehte sie sich um und wollte sich von Gabriel verabschieden.
„Du könntest mich doch bitten, noch reinzukommen. Wir wären zwei einsame Seelen, die sich an einem Nachmittag wild und leidenschaftlich lieben, um dann in ihr alltägliches Leben zurückzukehren und davon zu träumen, wie es hätte sein können“, sagte er.
„Gabriel, das ist der größte Unsinn, den du je von dir gegeben hast.“
„Mag sein, aber Spaß machen würde es trotzdem, oder?“
„Ich bin davon überzeugt, dass es Dutzende von Frauen gibt, die einen Nachmittag für dich opfern würden“, versicherte sie ihm.
„Die haben aber nicht deinen Körper.“
„Danke … oder vielleicht auch nicht.“
„Ah, ich weiß. Du hast schon eine heimliche Affäre mit jemandem.“
„Nein, leider nicht.“
„Dann zier dich nicht so. Mein Körper ist auch nicht zu verachten.“
„Gabriel, du bist in fast jeder Hinsicht perfekt.“
„Und warum willst du nicht?“
„Wir sind Freunde, und ich möchte, dass das so bleibt.“
„Okay. Gehen wir ins Kino?“
Abermals brachte er sie mit seiner Hartnäckigkeit zum Lachen. „Das wäre bestimmt lustig. Aber frag mich das bitte an einem anderen Tag nochmal. Diese Woche war einfach zu anstrengend. Außerdem … wartet nicht deine Arbeit auf dich?“
„Ich kann mich krankmelden.“ Er seufzte. „Ach, schon gut. Verbring deinen einsamen Samstagabend ruhig ganz allein.“
„Danke, dass du mich mitgenommen hast, Gabriel.“
Er deutete eine Verbeugung an und grinste breit. „War mir ein Vergnügen. Mach’s gut. Und schließ ab.“
Sie nickte. Als sie ihm nachsah, wie er zu seinem Wagen ging, wurde ihr bewusst, dass es längst dunkel geworden war. Sie wünschte, es wäre Sommer. Es war viel schöner, wenn es am Abend noch lange hell war.
Nachdem sie abgeschlossen hatte, zögerte sie einen Moment. Die Dunkelheit hatte Besitz von ihrem Haus ergriffen. Aus einer plötzlichen Laune heraus machte sie überall das Licht an. Ja, so war es schon besser.
Es war lächerlich, doch sie fühlte sich erneut unsicher in ihren eigenen vier Wänden. Zwar wünschte sie sich nicht, sie hätte Gabe doch ins Haus gelassen, dennoch empfand sie wieder dieses Unbehagen.
Ihr wurde klar, dass es in ihrem Haus nichts gab, was sie als Waffe hätte benutzen können. Allerdings hatte sie bis vor kurzem auch nicht mit der Angst gelebt, sie müsse sich gegen einen Eindringling zur Wehr setzen.
Das Einzige, was ihr in den Sinn kam, war ihr alter Tennisschläger. Sie nahm ihn in die Hand und begann, Zimmer für Zimmer abzusuchen.
Ganz sicher hatte sich nirgendwo jemand versteckt.
Schließlich nahm sie vor dem ausgeschalteten Fernseher Platz und saß eine Weile einfach da. Durch das Fenster konnte sie in ihren kleinen, dicht bewachsenen Garten blicken. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie sich einerseits zwar sorgte, jemand könne sie beobachten – andererseits war es keine gute Idee, in einem hell erleuchteten Zimmer zu sitzen, wenn es draußen dunkel war und die Vorhänge nicht zugezogen waren. Abrupt sprang sie auf, um genau das zu tun.
In diesem Augenblick glaubte sie, zwischen den Bäumen eine
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