Ihr letzter Tanz
Leute gehen schon seit Jahren regelmäßig ins
Moonlight Sonata
, und die erzählen so einiges. An einem Abend sah ich zu, wie Ben und Shannon einen Walzer tanzten, und ich machte irgendeine Bemerkung in der Art, wie gut die beiden doch zusammenpassten. Ich glaube, der alte Mr. Clinton entgegnete: ,Na, das sollten sie aber auch. Immerhin sind sie zwei Jahre lang zusammen bei Wettkämpfen angetreten.‘ Dann brach sich Shannon den Knöchel, Lara war zu der Zeit schon im Studio, und von da an ging alles ziemlich schnell. Shannon benötigte über längere Zeit Physiotherapie, und Ben hatte nicht vor, darauf zu warten, dass sie wieder einsatzbereit war. Er begann mit Lara zu trainieren, und dann …“
„… dann waren die beiden auf einmal verheiratet“, vollendete Doug den Satz.
Quinn warf ihm einen stechenden Blick zu. „Angenommen, Lara Trudeau wurde wirklich ermordet, dann wäre Shannon Mackay eine Hauptverdächtige. Eifersucht, Leidenschaft, Zorn – alle Motive liegen vor.“
Doug schüttelte den Kopf. „Du musst Shannon nur einmal treffen und dich mit ihr unterhalten, spätestens danach weißt du, dass sie keine Mörderin ist.“
„Die Motive sind vorhanden, Doug“, beharrte Quinn. Er hielt Shannon auch nicht für eine Mörderin. Wenn sie es doch war, musste sie gleichzeitig aber auch die weltbeste Schauspielerin sein. Auf der anderen Seite wurde bei vielen Morden offensichtlich, dass das schier Unmögliche durchaus möglich sein konnte.
„Verdammt, jeder hatte ein Motiv. Das wissen wir doch alle“, gab Doug ein wenig trotzig zurück. „Die meisten Frauen hassten Lara, weil sie so großartig war.“
„Sekunde“, warf Bobby ein. „Eine Frau hasst eine andere Frau doch nicht automatisch, nur weil die großartig ist.“
„Bist du dir da so sicher?“ fragte Doug und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.
„Ja, das bin ich.“
„Hat Giselle dir beigebracht, das zu sagen?“
„Ach, leck mich doch!“
„Hey“, meldete sich Quinn lautstark wieder zu Wort. Er blickte beide nacheinander kopfschüttelnd an.
„Also gut, zurück zum Ernst der Sache“, lenkte Bobby sofort ein. „Sie war auf jeden Fall eine Konkurrenz für andere Tänzerinnen – aber jede von ihnen ist für die andere Konkurrenz. Die wenigsten Menschen werden zu Mördern, nur weil sie sich mit Gegnern einen Wettkampf liefern müssen.“
„Nicht so schnell. Jane zum Beispiel ist Dutzende Male gegen sie angetreten, und jedes Mal verlor sie“, gab Doug zu bedenken. „Die halbe Tanzwelt ist gegen Lara angetreten und musste sich im besten Fall mit einem zweiten Platz zufrieden geben. Das ergibt Hunderte von möglichen Verdächtigen.“
Quinn schüttelte den Kopf. „Wer immer sie umgebracht hat, muss an dem Abend dort gewesen sein.“
„Stimmt“, pflichtete Doug ihm bei. „Und er muss einen Weg gefunden haben, ihr das ganze Zeug einzuflößen, ohne dass sie dagegen protestiert oder irgendjemandem ein Wort davon sagt. … ach, verdammt. Vielleicht hat sie auch wirklich zu viel geschluckt. Ich denke immer, ich habe sie gekannt. Aber vielleicht täusche ich mich da ja auch.“
„Was ist mit Gordon Henson?“ fragte Quinn und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche.
„Lara war für Gordon die Gans, die goldene Eier legt. Ein kostbarer Schatz, auch wenn sie sich gegenüber ihm so wie gegenüber allen benahm“, sagte Bobby.
„Ben hätte auch ein Motiv haben können“, gab Quinn zu bedenken.
„Allerdings“, stimmte Doug ihm zu und klang so, als würde er zunehmend wütend. „Die beiden haben sich nämlich oft gestritten.“
„Tatsächlich?“ wunderte sich Bobby. „Ich habe nie mitbekommen, dass sich
irgendjemand
da gestritten hätte.“
„Im Studio ist es ihnen auch nicht gestattet. Aber einmal ging ich zurück, um mir noch einen Kaffee zu holen, und sie waren beide da. Sie wurden zwar sofort leise, als sie mich sahen, trotzdem hörte ich, in welchem Tonfall er mit ihr sprach. Sie erwiderte etwas in der Art von: ,Träum weiter, Arschloch!‘“
Quinn saß so, dass er den Weg beobachten konnte, der vom Parkplatz hinüber zum Patio führte. Als er kurz aufsah, bemerkte er verwundert, dass Shannon Mackay – in figurbetonter Jeans, engem Top und Bluse – zögerlich in Richtung der hinteren Tische gegangen kam. „Ich fasse es nicht“, sagte er verblüfft.
„Du fasst es nicht? Ich sage nur, was passiert ist“, gab Doug mürrisch zurück.
„Davon rede ich nicht. Ich meine, ich fasse es nicht, dass
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