Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab

Titel: Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Diesbrock
Vom Netzwerk:
Ein sicherer Arbeitsplatz war der natürliche Wunsch der ganz großen Mehrheit. Man wechselte seinen Job so selten wie möglich – denn Stetigkeit und Kontinuität waren
die
zentralen Werte. Die Arbeitgeber gaben eben Arbeit und taten über Stellenanzeigen kund, was und wen sie gerade brauchten. Wenn jemand einen Job suchte, reichte der wöchentliche Blick in die Zeitung, um herauszubekommen, ob das eigene Profil gerade gefragt war. Die Bewerbung hatte dann standardmäßig zu sein und der Lebenslauf lückenlos und logisch. Was zählte, waren Zeugnisse und belegbare Qualifikation.
    Manche Menschen glauben, dass die Arbeitswelt im beginnenden 21. Jahrhundert immer noch so funktioniert. Sie suchen immer noch den lebenslangen Job und glauben, dass der Arbeitgeber ihnen Sicherheit und Stabilität garantieren sollte. Und sie meinen, dass es reicht, sich einmal im Leben vernünftig qualifiziert zu haben, und dass damit ihr berufliches Profil in Stein gemeißelt ist – und damit für sie nur ganz bestimmte Jobs infrage kommen.
    Diese Haltung nenne ich eine reaktive Karrierestrategie, die Sie im zweiten Teil ja bereits kennen gelernt haben. Vielleicht erinnern Sie sich an das Kapitel über die Haltungen von Regisseuren und Komparsen? Je weniger ich mich als Gestalter meiner Karriere sehe, je kleiner meine gefühlte Selbstwirksamkeit ist, desto reaktiver muss meine Haltung sein. Dann orientiere ich mich tatsächlich vor allem an den vermeintlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, den Empfehlungen anderer Menschen und dem, was Stellenanzeigen mir anscheinend zu bieten haben. Ich reagiere also hauptsächlich auf Einflüsse von außen und frage mich erst im zweiten Schritt, ob ich mir einen Job zutraue und wie sehr er mich interessiert. Ein negatives Selbstbild und einschränkende Glaubenssätze sorgen außerdem dafür, dass ich mich überhaupt nur mit den Optionen auseinandersetze, die diese strengen »inneren Filter« mir gestatten. Wenn ich – koste es, was es wolle – an |121| einem toten Job-Pferd festhalte, ist dies das Maximum an reaktiver Strategie!
    Vor zwanzig Jahren mag ich mit so einer Haltung noch ganz gut durch mein Berufsleben gekommen sein. Doch ob wir es für gerecht halten oder nicht, ob es uns gefällt oder wir uns überfordert fühlen – die Arbeitswelt hat sich grundlegend gewandelt. Und sie wird sich ganz sicher nicht zurückdrehen und natürlich auch nicht bleiben, wie sie heute ist. Berufe entstehen und verändern sich unglaublich schnell – weil technische, gesellschaftliche und global-wirtschaftliche Veränderungen immer neue Tätigkeiten erfordern. Da unser Wissen explosionsartig wächst, entstehen immer spezifischere und damit zahlreichere Jobprofile, und es tun sich ständig neue Nischen auf. Was früher innerhalb großer Unternehmen gemacht wurde, wird heute lieber ausgelagert und von kleinen Anbietern oder Freelancern erledigt. In diesem komplexen Durcheinander können Menschen nur noch sehr begrenzte Bereiche überblicken. Die Vorstellung, dass ein Berufsberater »den Markt« kennt und weiß, wo es für mich Möglichkeiten geben könnte, ist zwar sehr attraktiv – aber leider völlig unrealistisch! Und das bedeutet: Wir müssen es selbst in die Hand nehmen. Egal ob wir selbstständig oder angestellt sind oder es werden wollen – wir können uns weder auf bewährte Karrierepläne noch auf Vorhersagen verlassen. Was heute richtig ist, kann morgen falsch sein; was heute als Superjob gilt, ist vielleicht morgen die Garantie für einen Platz in der Schlange vor dem Jobcenter. Ob es uns also gefällt oder nicht: Keiner wird uns sagen können, wohin wir uns orientieren sollen. Keiner!
    Trotzdem glauben viele berufliche Neueinsteiger den »ungeschrie benen Gesetzen«, die uns eine sichere Karriere, Status und Wohlstand versprechen: Mehr als 12 beziehungsweise 13 Jahre dürfen wir auf keinen Fall in der Schule verbringen. Bestimmte Unis und Studiengänge, Traineeprogramme, natürlich Auslandsaufenthalte und jede Menge Praktika sind ein Muss! Sich nach der Schulzeit für ein Jahr die Welt ansehen (was in meiner Jugend als vertretbare Option galt)? Auf so eine Idee kommt heute kaum noch jemand, weil man danach eine Karriere natürlich vergessen kann. Und Interessen und berufliche Träume haben in der Berufswelt gar nichts zu suchen. Sei zielstrebig, |122| sei schnell, tue, was alle tun, und sei sehr, sehr gut. Dann klappt’s auch mit der Karriere. Ganz sicher! Doch leider wird dieses Versprechen an die

Weitere Kostenlose Bücher