Ihr Pferd ist tot - Steigen Sie ab
in der ganzen Zeit kaum verändert – sie sagte mir, sie könnte ihren Job auch im Schlaf machen. Sie langweilte sich sehr und wünschte sich ganz dringend eine berufliche Veränderung.
Als ich Manuela die Frage nach ihrem – fiktiven – Traumjob stellte, antwortete sie sehr zögerlich: Sie hätte gern einmal Führungsverantwortung, aber die Leitung der Abteilung traue sie sich nicht zu. Und in ihrem Alter sei es ja auch schwierig, etwas ganz anderes zu machen. Vielleicht könne sie in einem Projekt mitarbeiten wie dem Umbau der Zeiterfassung, das gerade in ihrem Unternehmen begonnen hatte. Das würde ihr schon Spaß machen.
Ich versuchte, sie zu ermutigen, sich einen Wunsch auszudenken, der jenseits ihrer täglichen Erfahrungen lag – schließlich sei dies ja eine Fantasiefrage. Aber Manuela fiel es sehr schwer, sich von den Bedingungen ihres Alltags mental frei zu machen. Sie hatte auch sichtbar keinen Spaß an dieser Übung, viel zu groß war der Stress!
Vielleicht denken einige von Ihnen jetzt: Welchen Sinn hat es auch, sich solche Fantasiefragen zu stellen – damit kommen wir unserer Frage nach »realistischen Joboptionen« ja auch nicht näher. Das ist nicht ganz richtig. Denn wenn wir unsere großen Träume kennen, wissen wir, was uns wirklich am Herzen liegt – und daraus können wir kleinere, »realistischere« Ziele ableiten.
Aber mir geht es hier um etwas anderes: Dem einen fällt es leicht, |127| seine großen Träume zu benennen, der andere fährt mental eher auf Sicht und hat nur wenig Zugang zu den eigenen Wünschen, so wie Manuela. Woran liegt das? Da die Frage nach dem Traumjob ja ausschließlich unsere Fantasie anspricht, bietet sie unseren Wünschen und Träumen freie Bahn. Ängste und innere Widerstände müssen sich nicht regen, weil es ja nicht um eine mögliche Umsetzung geht – also kein Risiko. Warum fällt es Menschen trotzdem so schwer, auch nur aus Spaß mal über den eigenen Tellerrand zu schauen? Ist das nur eine Frage mangelnder Fantasie?
Übrigens: Was wäre denn eigentlich
Ihr
Traumjob, wenn Sie alle Möglichkeiten hätten? Wie leicht fällt Ihnen die Antwort auf diese Frage?
Die innere und die äußere Freiheit
»Die Gedankenfreiheit haben wir.
Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.«
Karl Kraus
Wir leben in einem System, das sicherlich nicht perfekt ist, aber uns als Normalbürgern doch so viele Freiheiten garantiert wie noch nie eine Gesellschaft zuvor. Wir können unseren Beruf frei wählen, Beziehungen eingehen und lösen, wie wir es für richtig halten, reisen, wohin wir wollen, wohnen, wo es uns gefällt, und doch so ziemlich nach unserer Façon glücklich werden. Außerdem garantiert man unserer Existenz eine Grundsicherheit, wie es sie auch noch nie gab. Großartige Lebensbedingungen!
Viele Menschen werden mir hier widersprechen: Was hilft mir die Freiheit der Berufsausübung, wenn ich keinen Job finde? Oder keinen Lebenspartner? Wenn ich nicht gesund bin? Oder ich nicht nach Monaco umziehen kann, obwohl ich es möchte, aber mein Konto leider leer ist? Und die Möglichkeiten, mit einem Hartz-IV-Budget zu leben, sind natürlich auch sehr beschränkt.
Unsere Freiheit wird also durch unsere äußeren Lebensbedingungen |128| begrenzt. Allerdings nur eine Seite der Freiheit, nämlich die »äu ßere Freiheit«. Darunter verstehe ich die Freiräume, die das politische und juristische System, meine soziale, also auch berufliche Umgebung, meine materiellen Möglichkeiten, meine Ausbildung und meine Gesundheit mir ermöglichen. Man könnte die äußere Freiheit also als Summe aller Wahlmöglichkeiten beschreiben, die äußere und materielle Faktoren mir bieten.
Die andere Seite wird von meiner »inneren Freiheit« bestimmt. Was nützen mir nämlich all die vielen schönen äußeren Freiheiten, wenn ich sie nicht wahrnehmen und nicht für mich nutzen kann? Weil ich Angst vor dem Scheitern oder dem Urteil anderer Leute habe. Weil mein Selbstwertgefühl gering ist und ich nicht an mich und meine Fähigkeiten glaube. Weil ich es zuerst einmal anderen recht machen muss, da mir sehr wichtig ist, was sie von mir halten und denken. Wenn mein Leben voll von »Ich muss« ist und es kaum ein »Ich brauche« oder »Ich möchte« gibt.
Welchen Wert hat ein freier Tag, wenn ich unbedingt den Rasen mähen muss, mit X telefonieren muss, mich mit Y verabredet habe, weil es mal wieder sein musste (sonst wäre er mir böse), ja nicht einfach nur herumhängen kann (wo kämen wir
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