Ihr stolzer Sklave
Geiselstein hinüber, wo vor einigen Wochen die gefangenen Sullivans geflohen waren. Kieran zügelte seinen Zorn. Wenn er vorgehabt hätte zu fliehen, dann hätte er das schon längst tun können. Er selbst hatte beschlossen, hierzubleiben, um Buße zu tun.
Und etliche Wochen dieser Bußzeit lagen schon hinter ihm. Er ballte die Faust und umklammerte zornig den Griff seiner Axt.
„Davin gab ihm die Erlaubnis“, mischte sich eine Frauenstimme ein. „Als des Sklaven künftige Herrin will ich für ihn sprechen.“ Auch wenn all seine Sinne ihre Gegenwart erspürten, drehte er sich nicht zu ihr um. Er konnte den Blumenduft riechen, den Iseult ihrem Bad zufügte.
Es war ein leichter Wohlgeruch, der sie immer umgab.
„Allein darf er den Ringwall nicht verlassen.“ Der Mann blieb hart.
„Dann werde ich ihn begleiten.“ Iseults Ton erinnerte den Mann an ihren Rang.
Dem Wächter gefiel das ganz und gar nicht. Genauso wenig gefiel Kieran diese Situation, aber er brauchte das Holz. Die Vorstellung, wie sie allein mit ihm durch den Wald ging, hatte etwas Quälendes. Schon jetzt hätte er sie am liebsten zwischen die Bäume gezerrt und sie geküsst, bis sein Verlangen nach ihr gestillt war. Die reinste Versuchung, ja, das war sie für ihn.
„Soll ich Davin berichten, dass du auch mich wie eine Gefangene behandelst?“, fragte Iseult herausfordernd den Wächter. „Ich glaube, der Sklave wird mir schon Schutz bieten, sollte ich welchen brauchen.“ Schließlich gab der Wächter nach. Kieran ging voran, und Iseult folgte ihm. Fast eine Meile lang sprach keiner von ihnen ein Wort. Trotzdem spürte er ihre Gegenwart und jede ihrer Bewegungen. Er sehnte sich danach, sie zu berühren, die zarte Haut zu fühlen und seinen Wünschen nachzugeben. Mit jedem Schritt wuchs seine Anspannung.
Endlich erreichten sie den Waldrand. Er blickte über die Schulter, um sicherzugehen, dass sie noch da war. Er wartete eine Weile, bis sie ihn eingeholt hatte.
Sie hatte das Haar zurückgebunden und zu einem langen Zopf geflochten. Zwei Locken umrahmten ihre blassen Wangen. Erschrocken sah sie ihn an, als befürchtete sie, er wollte sie attackieren.
„Wenn du willst, kannst du hier warten“, schlug er ihr vor. „Ich besorge mir das Holz, das ich brauche, und dann gehen wir zurück.“ Sie nickte. Dabei machte sie ein Gesicht, als wollte sie etwas sagen, würde aber nicht die richtigen Worte finden. Es war sein Fehler, dass sie in seiner Gegenwart so nervös war. Warum hatte sie sich nur erboten mitzukommen? Nachdem er sie auf solche Weise geküsst hatte, nahm er eigentlich an, dass sie einen weiten Bogen um ihn machen würde.
Worte der Entschuldigung schossen ihm durch den Kopf, aber sie kamen ihm nicht über die Lippen. Der Kuss hätte ihm leidtun sollen. Und doch hatte er ihn genossen und sich ganz dem Augenblick hingegeben.
„Kieran?“ In ihrer Stimme klang Bedauern an. Und eine Frage. „Was da zwischen uns geschehen ist …“
„Es ist vorbei. Keiner wird je etwas davon erfahren.“ Er begegnete ihrem Blick und ließ sie erkennen, wie ernst es ihm mit seinem Eid war. Er hätte gern ihren Zopf gelöst und mit den Händen in ihren seidigen Haaren gewühlt. Er stellte sich vor, wie er sie küsste, bis sie sich Halt suchend an ihn klammerte.
Iseult hob das Kinn, aber er sah, dass ihre Hände zitterten. „Ich werde es Davin nie erzählen.“ Sie legte die Hand auf den Stamm eines jungen Baumes, damit sie ruhig wurde. „Es war falsch, dich zu küssen. Ich will ihn immer noch heiraten, und ich will die Verlobungszeit in Ehren halten.“
„Das solltest du. Er wird für dich sorgen.“ Sein Innerstes rebellierte bei der Vorstellung, dass Davin bei ihr liegen würde. Doch für eifersüchtige Gedanken war hier kein Platz. Nicht mehr.
„Ich wünsche …“
„Nicht.“ Er wollte es nicht hören – und schnitt ihr das Wort ab. „Zu Sommeranfang werde ich meine Freiheit zurückgewonnen haben. Ich werde Lismanagh verlassen, und du wirst mich nicht wiedersehen.“ Sie atmete tief aus und senkte den Kopf. „Das wäre das Beste.“ Nachdem ihr Beschluss feststand, wandte Kieran seine Aufmerksamkeit dem Wald zu. Ein einzelner Baumstamm oder vielleicht auch nur ein kräftiger Ast würde ihm geben, was er brauchte.
Er schritt durch den Wald und suchte unter den Bäumen solche, die am geradesten gewachsen waren. Nahe am Waldrand stand eine Eiche. Ihr Durchmesser betrug
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