Ihr stolzer Sklave
müssen. Nicht bei einem einfachen Überfall.“
„Es ist nichts wirklich Schlimmes geschehen. Die Sullivans stahlen schon immer unsere Schafe. Wir haben sie uns nur zurückgeholt.“
„Menschen sind keine Schafe.“ Gegen ihren Willen musste sie an Kieran denken. Er war ein Gefangener, genau wie diese Geiseln. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, auch wenn sie wusste, dass man diese Männer nicht wie Sklaven behandeln würde.
„Vielleicht denken sie jetzt zweimal nach, bevor sie uns wieder angreifen.“ Ohne den Männern einen weiteren Blick zu schenken, ging er weiter.
Seine Worte boten Iseult keinen Trost. Die Geisel, die sie die ganze Zeit angestarrt hatte, schenkte ihr ein boshaftes Lächeln. Bei seiner höhnischen Miene suchte sie unwillkürlich Davins Nähe. Ihr Instinkt warnte sie, dass diese Männer weit gefährlicher waren, als es den Anschein hatte.
Die nächsten Wochen verbrachte Kieran in der Abgeschiedenheit seiner Hütte. Er vertiefte sich in seine Arbeit und nahm sich kaum Zeit, um zu essen oder zu trinken. Ohne Unterlass schienen die Figuren und Muster unter seinen Händen zu entstehen. Er bemühte sich, die Schnitzereien auf der Truhe zu vollenden. Sein Werkzeug war kaum scharf genug, in das abgelagerte Holz einzudringen. Gewöhnlich arbeitete er mit Eichenholz, wenn es noch grün und weich war – und benutzte Butter oder Tierfett, um zu verhindern, dass es später Risse aufzeigte. Aber dieses Holz hier forderte ihn heraus, weil es im Verlauf mehrerer Jahre bearbeitet worden war.
Er wollte das Bildnis der Jungfrau Maria mit dem Kind auf dem Arm schnitzen. Doch jeder Schlag mit dem Spaten stellte seine Kraft und sein Geschick auf die Probe.
Er hatte vor, der Jungfrau Iseults Gesicht zu geben. Vielleicht war das ein Sakrileg. Aber er konnte sich gut vorstellen, wie sie ein Baby in ihren Armen hielt und lächelnd und voller Staunen auf ihren Sohn blickte.
Jeden Tag war er sich ihrer Gegenwart bewusst. Auch wenn er nicht mit ihr sprach, vermochte er es nicht, sich davon abzuhalten, immer wieder einen Blick auf sie zu werfen. Jetzt, wo es wärmer geworden war, brachte er manchmal die schwere Truhe nach draußen und nutzte das normale Sonnenlicht, während er unter dem Schutz des vorspringenden Daches arbeitete.
Die rechte Seitenwand der Truhe zeigte in der Mitte einen Spalt auf und würde ersetzt werden müssen. Wenn er ein Stück Eichenholz hätte, könnte er daraus eine Verbindung schnitzen und so das zerbrochene Teil wieder reparieren. Zwar gab es einen kleinen unterirdischen Lagerraum, in dem Seamus trockenes Holz aufbewahrt hatte, aber keines der Stücke passte, noch hatte es die richtige Größe. Der Vorrat an Walnussholz war sehr gering, ebenso der an Material aus Eibe. Und Eiche war gar nicht mehr vorhanden.
Er musste im Wald eine Eiche finden, um mit deren Holz die Truhe wieder herzurichten. Bis er die nicht gefunden hatte, konnte er nicht weiterarbeiten.
Er legte das Werkzeug beiseite, bedeckte die Truhe mit einem Stück Leder und trug sie in die Hütte zurück.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Ringwalls entdeckte er Davin, der mit einer Gruppe von Männern sprach. Kieran wusste, dass sie sich auf den Ritt zur Westküste vorbereiteten, um herauszufinden, was die Nordmänner im Schilde führten. Wenn er nicht sofort mit Davin wegen des benötigten Holzes sprach, hätte er später keine Gelegenheit mehr dazu.
Ohne das Gespräch zu unterbrechen, stellte er sich für Davin gut sichtbar an den Rand der Gruppe. Obwohl die Männer ihn sahen, ignorierten sie einfach seine Gegenwart. Kieran bemühte sich, ruhig zu bleiben, auch wenn sein Ärger von Minute zu Minute wuchs. Er war nicht daran gewöhnt, auf andere zu warten, um zu bekommen, was er brauchte.
Der Teufel sollte sie holen. Er würde nicht länger geduldig verharren.
Stattdessen kehrte er zu seiner Hütte zurück und griff nach einer kleinen Axt, die er tags zuvor geschärft hatte. Als er das Eingangstor des Ringwalls erreichte, sah er die Wachen wütend an.
„Was bildest du dir denn ein, wo du hingehst, Sklave?“, fragte einer der Männer.
„Ich will Holz sammeln, um die Truhe zu reparieren, die Davin geordert hat. Und da hier bei euch keine Bäume wachsen, werde ich wohl in den Wald gehen müssen, oder?“
„Nicht ohne Davins Erlaubnis. Wir können nicht riskieren, dass du einen Fluchtversuch unternimmst.“
Der Wächter warf einen Blick zum
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