Ihr stolzer Sklave
wo es doch Kieran war, der sie gerettet hatte?
Iseult drehte sich um und bewegte sich auf Davin zu. „Ich möchte dich sprechen.“
„Geh zu Deena. Lass sie dein Gesicht behandeln. Wir werden heute Abend reden.“
„Was du mit Kieran machst, ist nicht richtig. Er beschützte mich.“ Davins Lippen wurden schmal. Er packte Iseult am Handgelenk und führte sie zur Palisadenwand, wo ihnen niemand zuhören konnte. „Wieso verteidigst du einen Sklaven, der dich in Gefahr gebracht hat? Du hattest keinen Grund, den Ringwall zu verlassen.“
„Er brauchte Holz. Ich fand nichts Schlimmes dabei …“
„Aber dabei ist dir etwas Schlimmes zugestoßen, oder etwa nicht?“ Er verschränkte die Arme. Es war nicht zu übersehen, wie wütend er war. „Die Lochlannachs sind nur einen Tagesritt von hier entfernt. Draußen ist es nicht sicher. Hätte Kieran dich nicht vor der Entführung gerettet, ich hätte ihn zum Tode verurteilt.“ Seine Worte waren eine Drohung, die nicht deutlicher sein konnte.
„Ich bot ihm meine Begleitung an.“ Trotz ihres Zorns sprach Iseult mit ruhiger Stimme. „Willst du mich nicht auch dafür bestrafen, dass ich deine Befehle nicht befolgte?“
„Du verbrachtest etliche Stunden allein mit einem männlichen Sklaven.“ Er war eifersüchtig. Das merkte sie jetzt, und sie errötete. Sie fühlte sich dadurch noch verzagter. Davin würde keine Gnade kennen, sollte er nur den geringsten Verdacht hegen, dass sie sich von Kieran angezogen fühlte.
Niemals durfte er von dem Kuss erfahren.
„Es ist nichts geschehen“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Er fand das Holz, das er suchte.“
Mit einer besitzergreifenden Geste schloss Davin sie jäh in seine Arme.
„Ich will nicht, dass dir irgendetwas zustößt, Iseult. In wenigen Tagen wird man uns angreifen. Versprich mir, dass du nicht wieder den Ringwall verlässt.“
Sie brachte ein Nicken zustande. Aber sie konnte sich nicht überwinden, seine Umarmung zu erwidern. Er bestrafte den Mann, der sie gerettet hatte.
Wie einen Verbrecher schleiften die Männer Kieran zu den Ketten, an denen die Geiseln gehangen hatten. Sie zogen ihm die Tunika aus und schlossen die eisernen Fesseln um seine Handgelenke. Er wehrte sich nicht. Sein Blick ging in die Ferne. Iseult spürte, dass unter der ruhigen Art, wie er seine Strafe annahm, eine mörderische Wut kochte. Sie war nicht gegen sie gerichtet, sondern gegen Davin.
Sie wollte zu ihm gehen, um ihn zu befreien. Ihr Magen krampfte sich zusammen, weil sie sich für seine Gefangenschaft verantwortlich fühlte.
Aber sie fürchtete sich vor dem, was Davin wohl machen würde, wenn sie sich jetzt Kieran näherte. Also sah sie ihn nur um Verzeihung bittend an und hoffte, dass er es merkte.
Doch wie sie befürchtet hatte, schenkte er ihr keinen einzigen Blick.
Mitten in der Nacht sah Kieran, wie eine verhüllte Gestalt sich ihm näherte.
Da die meisten Bewohner des Ringwalls schliefen, wusste er, wer es war.
„Du solltest nicht hier sein.“ Er zweifelte nicht daran, dass es seinen Tod bedeutete, wenn Davin sah, dass Iseult ihn besuchte.
„Iss.“ Sie fütterte ihn mit frischem Brot und zarten Fleischstückchen. Der Duft des Essens verstärkte nur noch mehr den nagenden Schmerz in seinem Magen. Kieran aß und versuchte, dabei nicht auf Iseult zu achten.
Doch jedes Mal, wenn ihre Finger in die Nähe seiner Lippen kamen, hätte er sie gern geküsst. Obwohl Iseult sich nichts dabei dachte, bekam für ihn dieses Füttern etwas Sinnliches.
Er dankte Gott, dass die Ketten ihn in diesem Augenblick zurückhielten.
Kieran beugte sich vor und atmete ihren frischen Duft ein. Eine Haarlocke von ihr fiel gegen seine Wange, und sein ganzer Körper reagierte äußerst heftig, als ihr Gesicht das seine berührte.
Sie schreckte zurück und bot ihm Met aus einem Tonkrug an. „Ich verstehe nicht, warum er das tut. Wenn du nicht gewesen wärst …“ Sie schüttelte schaudernd den Kopf.
„Geh, lass mich allein, Iseult.“ Er versuchte, das Verlangen nach ihr zu unterdrücken, die Reaktion seines Körpers auf sie zu leugnen. Wenn es um Iseult ging, stieß seine Willenskraft an ihre Grenzen. Er wusste nicht, wie es dazu hatte kommen können, aber gerade jetzt begehrte er sie mehr denn je.
„Du musstest etwas essen“, sagte sie leise. „Und ich wollte dir danken.“ Die Dunkelheit verbarg sie vor ihm. Er konnte ihre
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