Ihr stolzer Sklave
kommt sie hierher und pflegt dich statt Davin?“ Die Heilerin blickte ihn durchbohrend an.
Kieran rang nach Luft. In ihm tobte ein bohrender Schmerz. „Ich weiß es nicht.“
Die Lüge kam ihm leicht über die Lippen. Aber er hegte den Verdacht, dass Iseult über ihre Gefühle ebenso verwirrt war wie er über die seinigen.
Deena lehnte sich zurück und sah ihn an. „Liebst du sie?“ Er schloss die Augen, als hätte er ihre Worte nicht gehört. Auch wenn er Iseult begehrte, so war sie doch völlig unerreichbar für ihn.
„Nun?“, drängte sie.
„Hör auf, in mich zu dringen, Frau.“
Deena lachte, beugte sich vor und senkte die Stimme. „Wenn du ihr Herz gewinnen willst, dann finde ihren Sohn. Ein Mann, der sie liebt, wird die Antworten suchen, die sie nicht finden kann.“
Kieran wandte das Gesicht von der Heilerin ab und sank in Schlaf. In seinen Träumen verfolgte ihn das Gesicht seines Bruders.
An diesem Abend stand Iseult an Davins Seite in der kalten, steinernen Kapelle, während Vater Aengus eine besondere Messe für die Toten las.
Vertraut und tröstlich hüllten die lateinischen Worte sie ein. Doch als sie niederkniete, um inmitten der Männer und Frauen des Stammes zu beten, ertappte sie sich dabei, dass sie für Kieran betete. Sie murmelte die leisen Worte für ihn und für ihren Sohn. Gott erhalte sie beide.
Danach führte Davin sie zu seiner Hütte. Iseult zwang sich, mit ihm zu gehen, obwohl sie lieber zu Deena zurückgekehrt wäre. Ihr schlechtes Gewissen drückte sie, denn indem sie über ihre Gefühle für Kieran schwieg, betrog sie Davin. Aber wenn sie die Wahrheit gestand, würde Davin Kieran töten. Den Mund zu halten war die einzige Möglichkeit, den Mann, den sie liebte, zu schützen.
Als sie fast an der Wohnstätte angelangt waren, näherte sich ihnen Neasa. Unter einem Schleier aus feinen Linnen trug sie ihr Haar hochgesteckt. Ihre grauen Augen waren auf Iseult gerichtet, der Blick war ernst und anklagend.
„Davin, dein Vater möchte dich sehen.“ Mit einem warmen Lächeln umarmte sie ihren Sohn. „Er möchte, dass du ihm hilfst, die erlittenen Schäden festzustellen. Iseult und ich werden das Essen zubereiten, während du fort bist.“
Davin zog Iseults Hand an seine Lippen. „Es tut mir leid, a stór . Ich bin bald zurück.“ Die Glut und das Verlangen in seinen Augen fuhren ihr wie ein unsichtbares Messer ins Herz. Mit Mühe zwang sie sich zu einem Lächeln.
Neasa wartete, bis er sich mit Alastair auf der anderen Seite des Ringwalls getroffen hatte, bevor sie das Wort an Iseult richtete. „Ich habe dich gesehen“, sagte sie vorwurfsvoll. „Während der Schlacht gingst du allein in die Hütte des Sklaven.“
Es war klar, was Neasa damit andeuten wollte. Iseult konnte nicht leugnen, dass sie die Hütte von Kieran aufgesucht hatte. Was sollte sie also sagen? Sie wählte ihre Worte sorgfältig. „Das tat ich, ja. Und ohne seine Hilfe wären wir alle in dieser Schlacht gestorben. Das weißt du so gut wie ich. Ich betrat sie, um ihn um Hilfe zu bitten.“
„Du warst allein mit ihm. Und wenn Davin davon erfährt …“ Iseult schnitt ihr das Wort ab. „Er wird es nicht erfahren.“ Die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Sie war fest entschlossen, die Verlobung zu lösen, aber nicht, bevor Kieran sich von seinen Verletzungen erholt hatte.
Sein Leben hing von ihrem Schweigen ab. „Noch wird er von dir irgendwelche Lügen hören.“
Neasas Gesicht wurde rot vor Wut. „Ich würde ihm nichts als die Wahrheit erzählen.“
„Das Gleiche habe ich vor.“ Iseult holte tief Luft. „Bewahre Stillschweigen, und du bekommst, wonach du am meisten verlangst.“
„Woher weißt du, wonach ich am meisten verlange?“
„Du möchtest, dass ich meine Verlobung mit Davin löse“, sagte ihr Iseult ins Gesicht. Zu ihrer Bestürzung zitterte ihr die Stimme. Die eigenartige Endgültigkeit ihrer Entscheidung schmerzte sie. Davin war ihr Freund, ein Mann, der sie liebte. Ihn zu verlassen hieß, ihm das Herz zu brechen, selbst wenn das, was sie tat, das Richtige war.
„Und das würdest du tun?“ Neasa beruhigte sich. Ungläubig verzog sie das Gesicht.
„Ich möchte sein Bestes“, brachte Iseult mühsam hervor. Sie wusste, was sie für Kieran empfand. Und deshalb war es das Beste, Davin nicht zu heiraten. Es würde sie beide nur verletzen. „Ich glaube nicht länger, dass ich ihm eine gute Frau sein
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