Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
in der für ihn so typischen gelassenen Sturheit… und warf sich im nächsten Moment mit aller Kraft mit seiner massigen Schulter und dem Oberarm gegen die äußerst stabile Tür aus alter abgelagerter Eiche.
Inga Jäger beeilte sich, ihre SIG zu ziehen, durchzuladen und zu entsichern.
Er knurrte vor Schmerz, der Rahmen krachte mit einem trockenen Geräusch, die Tür aber blieb verschlossen. Gebert holte ein zweites Mal Schwung und donnerte erneut gegen die schweren Eichenbohlen. Diesmal gab die Tür nach– aber noch immer nicht vollständig. Er musste sich ein drittes Mal dagegenwerfen, einen weiteren Schmerzenslaut nur mit Mühe unterdrückend.
Inga Jäger fühlte, wie Adrenalin durch ihre Adern pumpte, und merkte, wie ihr Blick schärfer und fokussierter wurde. Sie zielte beidhändig in die inzwischen leere Eingangshalle.
Im nächsten Moment hörte sie eilige Schritte auf der breiten Treppe, die nach oben führte.
Gebert signalisierte, dass er sie ebenfalls gehört hatte, zog jetzt auch seine Waffe, und sie gab ihm Deckung, während er hoch zu dem ersten Absatz lief. Dort sicherte er den nächsten, damit sie ihm folgen konnte.
So gelangten sie in den ersten und gleich darauf auch in den zweiten Stock, doch die Schritte waren immer noch über ihnen. Schneider floh auf den Dachboden.
Inga Jäger hörte Gebert schwer schnaufen. Die Tür und die Treppe hatten ihn extrem angestrengt. Sie wusste, sie mussten sich beeilen, wenn sie Dr. Schneider fassen wollten, ehe Gebert vollends die Puste ausging.
Die weiß lackierte Tür zum Dachboden stand offen. Es war noch eine einzige schmale, hölzerne Treppe bis dorthin. Die Schritte waren inzwischen verklungen.
» Da kommen wir nicht rein!«, keuchte Gebert. » Er knallt uns ab wie die Hasen. Wir warten auf die Verstärkung mit dem Tränengas.«
» Die ist nicht rechtzeitig da«, sagte Inga Jäger, die eine Ahnung hatte, warum Schneider auf den Dachboden geflohen war und nicht nach hinten heraus aus der Villa in Richtung Park. » Wir müssen da rein. Wir tragen Schutzwesten.«
» Warum so eilig?«, wollte Gebert irritiert wissen.
» Er will sich umbringen!«
Und damit rannte sie auch schon, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe nach oben.
» Scheiße!«, fluchte Gebert und stapfte mit polternden Schritten hinter ihr her.
Vier oder fünf Stufen vor dem oberen Ende der Treppe bückte Inga Jäger sich, ohne dabei an Tempo zu verlieren. Sie wollte ein so kleines Ziel wie möglich abgeben. Die Mündung ihrer SIG hatte sie nach vorne gestreckt.
Sie spähte über die Türschwelle. Der Dachboden der Villa war ein einziger großer Raum. Die Stützbalken boten keine wirkliche Deckung. In etwa acht Metern Entfernung stand Schneider mit dem Rücken zu ihr an einem Schrank und kramte eilig etwas aus einer der Schubladen hervor.
Inga Jäger nutzte die Chance und gelangte auf den Dachboden, ehe er Notiz von ihr nahm.
» Keine Bewegung!«, rief sie und hörte Gebert dicht hinter sich.
» Bitte gehen Sie!«, rief Dr. Schneider ihr zu, ohne sich zu ihr umzudrehen. Seine Stimme klang seltsam flehend. Voller Verzweiflung. » Bitte!«
» Das werde ich nicht«, sagte Inga Jäger. » Wir sind hier, um Sie zu verhaften. Lassen Sie fallen, was auch immer Sie in der Hand haben, und nehmen Sie die Hände hoch, Herr Schneider. Sofort!«
Langsam drehte er sich zu ihr um– und hielt sich eine Pistole an die Schläfe. Es war eine Luger. Inga Jäger erkannte sie von einem Bild, das Elli ihr von der Tatwaffe gezeigt hatte.
» Lassen Sie mich allein«, forderte er.
» Legen Sie die Waffe weg!«, rief Inga Jäger und zielte. Wieder achtete sie darauf, tief und ruhig zu atmen; sie wollte ihrem angespannten Körper so viel Sauerstoff wie möglich zukommen lassen, um ihre Konzentration auf oberstem Level zu halten.
Gebert stand jetzt neben ihr– noch schwerer schnaufend als schon zuvor und mit schweißnassem Gesicht. Auch er zielte, aber sie konnte aus den Augenwinkeln heraus erkennen, wie sehr seine Waffe unter dem heftigen Atem wackelte.
» Bitte gehen Sie!«, flehte Dr. Schneider noch einmal. » Ich will alleine sterben und in Würde!«
» Das kommt nicht infrage!«, widersprach Inga Jäger. » Sie werden mit uns mitkommen und zur Verantwortung gezogen für das, was Sie getan haben!«
» Sie verstehen nicht!«, klagte er unter Tränen.
» Legen Sie die Waffe weg!«, wiederholte sie und bemühte sich, ihre Stimme ruhig, aber fest, also auf gar keinen Fall hektisch oder
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