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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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hat.«

46
    Landeskriminalamt Wiesbaden. Verhörzimmer 3 .
    Hätte sie ihn nicht selbst noch vor weniger als einer Stunde so erlebt, Inga Jäger hätte niemals geglaubt, dass der Mann, der jetzt so adrett und stoisch am Verhörtisch saß, Dr. med. Gunther Schneider, jemals die Fassung verlieren könnte. Nichts an seiner aristokratisch akkuraten Haltung und der Kühle seiner erhabenen und überheblichen Ausstrahlung wies mehr darauf hin, dass er sie gerade vorhin noch unter Tränen angefleht hatte, ihn alleine zu lassen, damit er sich auf einem Dachboden eine Kugel durch den Kopf jagen konnte. Sein weißes Haar war jetzt wieder perfekt gekämmt, und der dreiteilige Anzug saß tadellos. Lediglich Krawatte, Gürtel und die Schnürsenkel hatte man ihm entsprechend der Sicherheitsvorschriften abgenommen, damit er sich nicht mit ihrer Hilfe erhängen oder strangulieren konnte.
    Inga Jäger hatte bereits vor dem Betreten des Verhörzimmers, ja, schon in dem Moment, als der erste Verdacht auf ihn gefallen war, abgrundtiefe Verachtung für ihn empfunden, aber jetzt, da sie sah, zu welch kalter und gefühlloser Maskerade er fähig war, wuchs diese noch um ein Vielfaches.
    Sie konnte es nicht einmal über sich bringen, ihn zu grüßen, und setzte sich ihm stumm gegenüber.
    Aus der ledernen Aktentasche, die sie mitgebracht hatte, holte sie sechs A4-große Abzüge, die sie von den Fotos der Opfer hatte machen lassen.
    Auch als sie sie nebeneinander vor ihm auf den Tisch blätterte, sagte sie kein Wort und betrachtete hochkonzentriert sein Gesicht, um daraus eine erste Reaktion abzulesen.
    Doch statt sich die Bilder überhaupt nur anzusehen, fixierte er Inga Jäger mit seinen blauen stechenden Augen. Es war, wie plötzlich einem Wolf gegenüberzustehen.
    Dieser Mann war es eindeutig gewohnt, nicht das Opfer zu sein– das widersprach seiner Natur grundlegend. Selbst in seiner jetzigen Lage als Gefangener war sein Gebaren das eines Menschen, der die Dinge unter Kontrolle hatte… der sie steuerte, statt sich von ihnen steuern zu lassen.
    » Ich möchte meinen Anwalt sprechen«, sagte er mit fester Stimme, ohne auch nur zu blinzeln.
    » Dies ist ein erstes Verhör«, erwiderte Inga Jäger und konzentrierte sich auf einen Punkt auf der Nasenwurzel zwischen seinen Augen, um seinem Blick leichter standhalten zu können. Trotzdem fiel es ihr alles andere als leicht. Selbst das klare Bewusstsein, dass das Recht auf ihrer Seite und er ein Monster war, machte es nicht einfacher. Schneider war einfach sehr viel länger als sie darin geübt zu herrschen… zu dominieren.
    » Ein erstes Verhör in einem– wenn ich das richtig verstehe– Ermittlungsverfahren?«, fragte Dr. Schneider.
    » Ja«, bestätigte sie. » In dem Moment, in dem ich Ihnen gegenüber die Ihnen zur Last gelegte Straftat bezeichnet habe, ist dies ein Ermittlungsverfahren.«
    » Sie sind Staatsanwältin, sagten Sie.«
    » Ja.«
    » Wenn dem so ist, dann steht mir doch laut Paragraph 137 der Strafprozessordnung der Beistand eines eigenen Anwaltes zu, ist das korrekt?«
    » Das ist richtig«, antwortete sie, erstaunt über seine juristische Bildung. » Ich verstehe nur nicht, was Sie sich davon versprechen. Sie haben sechs Frauen ermordet. Allesamt…«
    » Was?«, rief er plötzlich aus, und das Aufbrechen seiner kühlen Maske erschreckte Inga Jäger so sehr, dass sie beinahe von ihrem Stuhl aufgesprungen wäre. » Sie glauben, ich hätte sie umgebracht? Ja, sind Sie denn verrückt?«
    » Doktor Schneider«, sagte Inga Jäger, nur mit großer Anstrengung ihre Beherrschung zurückgewinnend und all ihre Geduld zusammenraffend. » Die Beweislast…«
    » Ich will sofort meinen Anwalt sprechen!«, schmetterte er ihr entgegen. » Haben Sie das verstanden, Frau Jäger?«
    Sie wollte ihm gerade ebenso scharf entgegnen, dass er seinen Ton ihr gegenüber mäßigen sollte, ganz besonders in der Situation, in der er sich befand, als die Tür geöffnet wurde.
    Gebert streckte seinen riesigen Kopf durch den Spalt, räusperte sich und gab ihr ein Zeichen, zu ihm nach draußen zu kommen. Seine Miene verriet, dass es nicht warten konnte.
    » Nicht jetzt«, sagte sie dennoch mürrisch.
    » Es ist wichtig«, entgegnete Gebert.
    Die Dringlichkeit in seiner Stimme ließ sie aufhorchen. Sie erhob sich von ihrem Platz und ließ die Fotos der ermordeten Frauen ganz absichtlich vor Dr. Schneider liegen, während sie zu Gebert nach draußen ging und ihm in das kleinere Nebenzimmer folgte, von dem

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