Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
Ursache in den Verbrechen von damals haben. Das wäre ein Schlachtfest für die Presse und die Medien und, da gebe ich Ihnen völlig recht, Kommissar Gebert, der Ruin für unsere Klinik. Doch das ist nicht der Grund, aus dem heraus ich Ihnen keine Einsicht in die Unterlagen von damals gewähren kann.«
» Sondern?«, fragte Inga Jäger.
» Sie existieren nicht mehr«, sagte Professor Götz.
» Sie verscheißern uns!«, blaffte Gebert geradeheraus.
» Nichts liegt mir ferner, Kommissar. Ich habe selbst nach ihnen gesucht, als ich hier anfing. Aber es gibt sie nicht mehr. Vermutlich sind sie noch vor Kriegsende vernichtet worden.«
» Dann haben Sie sicher nichts dagegen, wenn wir uns davon selbst überzeugen«, sagte Inga Jäger.
» Bitte rechnen Sie mit meiner vollen Unterstützung«, sagte Professor Götz.
Gebert zückte sein Handy. » Ich rufe das Team.«
51
Das Kellergewölbe, in dem die ältesten Unterlagen der Klinik archiviert waren, stammte aus der Zeit, in der die Anstalt noch zu dem benachbarten Kloster gehört hatte. Es roch nach alter Feuchtigkeit, Fäulnis und Mauerflechte. Professor Götz, der einen seiner Assistenten mit hier herunter geschickt hatte, um ihnen den Weg zu zeigen, hatte darauf bestanden, dass Inga Jäger und die Leute ihres, mit ihr und Gebert, sechsköpfigen Teams Mundschutzmasken aus Papier trugen, um sicherzustellen, dass sie keine Schimmelsporen einatmeten.
Die Otto hatte sie allesamt mit Latexhandschuhen versorgt, und nun standen und kauerten sie vor den morschen Regalen und durchsuchten schweigend im nervös flackernden Licht der alten Kellerlampen die fleckigen Sperrholzkästen nach den Dokumenten aus der Zeit, in der Wilhelm Schneider, der Großvater des jüngsten Mordopfers, Sieglinde Reichard, Leiter der Klinik auf dem Eichberg gewesen war.
Alle fünfundvierzig Minuten machten sie eine dringend nötige Pause oben an der frischen Luft, und Inga Jäger achtete dabei akribisch darauf, dass der Assistent sie jedes Mal nach oben begleitete und auch sonst keiner der Anstaltsmitarbeiter den Keller betrat, um sicherzustellen, dass während ihrer Abwesenheit niemand Akten aus noch nicht durchsuchten Kisten in Kisten versteckte, die sie bereits durchsucht und markiert hatten.
So dauerte es bis spät in den Abend hinein, bis sie endlich fertig waren und Inga Jäger die Behauptung des Professors bestätigt fand: Dort unten gab es sogar noch Unterlagen aus dem neunzehnten Jahrhundert, aber nicht eine einzige Seite aus der Zeit zwischen 1933 und 1945.
» Ich nehme das Team und suche das Gelände ab«, sagte die Otto, als sie das Gewölbe zum letzten Mal und mit vor Enttäuschung hängenden Schultern verließen. » Jedes einzelne Gebäude, wenn es sein muss.«
Inga Jäger schüttelte den Kopf und nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, die Gebert ihr gerade angezündet und gereicht hatte.
» Es gibt hier viel zu viele Keller und Gebäude«, sagte sie. » Falls die Unterlagen wirklich noch existieren und Götz uns daran hindern will, sie zu finden, brauchen wir mindestens eine Hundertschaft, um zu verhindern, dass er sie hinter unserem Rücken von einem Versteck in das nächste bringt.«
» Dann organisieren wir eben eine Hundertschaft«, knurrte Gebert ungehalten. » Ich will verflucht sein, wenn ich ihn damit durchkommen lasse.«
» Ich fürchte, er sagt die Wahrheit«, sagte Inga Jäger. » Die Akten sind schon lange verschwunden.«
Gebert schnaubte Rauch durch die Nase. » Er hätte viel zu verlieren, wenn wir sie finden und die ganze Sache ans Licht der Öffentlichkeit gerät.«
» Bestimmt«, gab Inga Jäger zu. » Aber er hätte alles zu verlieren, wenn er bei dem Versuch erwischt würde, die Unterlagen auch noch zu verstecken. Das Risiko ist jemandem wie Götz zu groß. Dafür bedeutet ihm sein Ruf einfach zu viel.«
Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Gebert seine Zustimmung nickte. » Ich denke, Sie haben recht. Aber ohne die Akten haben wir nicht den Hauch einer Spur, wer hinter den Morden stecken könnte.«
» Das ist wohl wahr«, erwiderte Inga Jäger frustriert. Da fiel ihr etwas ein, und mit einem Mal erhellte sich ihr Gesicht wieder.
» Was ist?«, fragte die Otto, die sie beobachtet hatte.
» Nach dem, was der Professor vorhin in seinem Büro erzählt hat, handelte es sich doch bei der Aktion T4 um eine landesweite Maßnahme und nicht um einen Vorfall, der sich lediglich hier auf dem Eichberg abgespielt hat«, sagte sie.
» Ja«, sagte Gebert und sah sie
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