Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
auskommen müssen«, sagte Peiß. » Das Ministerium hat Ihren Antrag abgelehnt.«
Das war eine Überraschung.
Und keine angenehme.
» Mit welcher Begründung?«
» Ganz ohne Begründung«, erwiderte Peiß.
» Bitte?«, fragte sie irritiert.
» Habe ich mich etwa unklar ausgedrückt?«, fragte er mit drohendem Unterton.
» Finden Sie den Mörder, ohne dabei die Geister der Vergangenheit zu wecken.«
Damit war er auch schon wieder aufgestanden und ging zur Tür.
» Aber, Herr Peiß…«
» Kein Aber, Frau Jäger. Das ist eine dienstliche Anweisung.«
53
Der Leitende Staatsanwalt Peiß kehrte eilig in sein Büro zurück. Jetzt, da er sich unbeobachtet wusste, begannen seine Hände zu zittern. Er ging an die Bürobar, die er eigentlich nur für besondere Gäste und Besucher der Staatsanwaltschaft bereithielt, und goss sich aus einer Karaffe aus feinstem Baccaratkristall einen großen Schluck Cognac ein. Rémy Martin Louis XIII , die Flasche zu rund 1300 Euro– man weiß ja, was man seinen Gästen schuldig ist.
Er schwenkte es hastig, mehr aus Gewohnheit, als dass er damit die feinen Aromen freisetzen wollte, kippte das Glas in einem schnellen, gierigen Zug hinunter und verzog trotz der samtigen Sanftheit des über fünfzig Jahre alten Brandys das Gesicht.
Er verharrte für eine halbe Minute mit geschlossenen Augen und ließ den Alkohol seine Wirkung tun. Dann erst fühlte er sich wieder einigermaßen ruhig genug, das Telefon in die Hand zu nehmen und zu wählen.
» Peiß hier«, sagte er, nachdem auf der anderen Seite abgenommen worden war.
» Haben Sie die Sache geklärt?«, fragte die männliche Stimme am anderen Ende misstrauisch.
» Ja, habe ich«, antwortete Peiß so überzeugt er konnte. » Sie wird sich nur auf den aktuellen Fall konzentrieren.«
» Gut. Alles andere könnte in einer Katastrophe münden. Wir können nicht zulassen, dass Ihre neue Mitarbeiterin mit ihrer völlig abstrusen Idee im Trüben fischt und dabei versehentlich die Büchse der Pandora öffnet.«
Peiß entging nicht, dass sein Gesprächspartner betont hatte, dass er sie als seine neue Mitarbeiterin bezeichnet hatte und damit schon jetzt klargestellt hatte, wer die Verantwortung übernehmen würde, sollte die Katastrophe eintreten.
» Keine Sorge«, sagte er, weil er wusste, dass sein Gegenüber nichts anderes hören wollte. » Ich habe hier alles im Griff.«
» Das wollen wir hoffen, Peiß. Halten Sie mich auf jeden Fall auf dem Laufenden!«
» Mache ich«, versprach Peiß. » Selbstverständlich, Herr Minister.«
Doch der Minister hatte bereits aufgelegt.
Peiß steckte das Telefon zurück in das Ladegerät und schenkte sich dann noch einen ordentlichen, mindestens 200 Euro teuren Schluck ein.
Aber auch der konnte die tief in seinen Bauch hinein kriechende Angst nicht vertreiben.
54
Wiesbaden. Berufsschulviertel.
» Ist das zu fassen?!?« Kaum mehr als eine Viertelstunde nach ihrem Zusammenstoß mit Peiß saß Inga Jäger zusammen mit Kommissar Gebert in einem der kleinen Bistros, die die in der Nähe der Staatsanwaltschaft liegenden Berufsschulen umgaben wie ein Rudel Hyänen eine verlassene Gruppe neugeborener Gnus. Genauso verlaust, verdreckt und unverschämt.
Gebert schüttelte ungläubig den Kopf und nippte an dem an mehreren Stellen gesprungenen Kaffeebecher, um gleich darauf das Gesicht zu verziehen und drei weitere Papiertütchen Zucker hineinzukippen. » Na ja, man muss kein Genie sein, um sich ausmalen zu können, dass weder Ihr Boss noch das Landesjustizministerium ein besonders großes Interesse daran hegen, in der Öffentlichkeit bekannt werden zu lassen, dass in mindestens vier Mordfällen ein Unschuldiger hinter Gitter gebracht wurde. Fehlurteile sind immer ganz schlechte Publicity.«
Auch Inga Jäger nahm einen Schluck Kaffee, stellte ihn dann aber wieder angewidert weg. Nicht aller Zucker der Welt konnte diese Brühe genießbar machen. Vielleicht sollte man dem Zottel hinter der Theke einmal erklären, dass man Kaffeemaschinen regelmäßig reinigen sollte.
» Ich denke nicht, dass das der Grund ist«, sagte sie. » Dass die Falschen für die früheren Morde verurteilt wurden, lässt sich dank unserer Ermittlungen schon jetzt nicht mehr geheim halten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch öffentlich bekannt und in der Presse breitgetreten wird.«
» Sie meinen, es geht um mehr?« Gebert machte noch einen Trinkversuch, gab aber dann mit angeekelter Miene ebenfalls auf und stellte
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