Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
ein Schnapsstamperl, den Inga einmal von einem Ausflug nach Garmisch-Partenkirchen mitgebracht hatte, und schenkte äußerst behutsam etwas von dem ölig dunkelgoldenen Single-Malt-Whiskey hinein.
» Stecken Sie den Daumen rein und halten Sie ihn eine Weile drin«, sagte er.
Sie tat es und biss die Zähne aufeinander. Es brannte ganz schön– aber das sollte es ja auch.
Währenddessen schenkte Gebert zwei weitere Gläser ein und reichte ihr eines davon.
Sie nahm einen Schluck und hielt ihm dann den Daumen hin.
Der samtige Drink beruhigte sie ein wenig.
Mit für seine Größe und sein kriegerisches Aussehen erstaunlicher Behutsamkeit brachte Gebert das Pflaster an. Dann deutete er mit dem Kinn in Richtung Küchentisch und wusch das Messer unter fließendem Wasser ab.
» Setzen Sie sich, und lassen Sie mich das machen.«
Sie nahm Platz und beobachtete ihn dabei, wie er den Rest der Salsiccia kleinschnitt.
» Verdammt, Gebert, wie können Sie nur so ruhig bleiben?«
» Was sollen wir denn tun?«, fragte er zurück und brachte die Wurst zusammen mit einer Tüte Brötchen und einem kleinen Laib Camembert herüber an den Tisch. Dann holte er auch seinen Whiskey und nippte daran. » Die Anweisungen Ihres Chefs waren klar und deutlich.«
» Aber die Patientenunterlagen sind unsere einzige Spur«, sagte sie und nahm die Brötchenhälfte entgegen, die er ihr reichte.
» Dann teilen wir wahrscheinlich das Schicksal unserer Vorgänger, und die Morde bleiben ungeklärt«, erwiderte er.
» Damit geben Sie sich zufrieden?«
» Uns bleibt keine Wahl. Jeder weitere Versuch, ohne Genehmigung an die Archiv-Daten zu gelangen, wäre ein schweres Dienstvergehen.«
» Das wäre mir egal«, sagte sie trotzig und biss ein Stück von der Salami ab.
Er stieß einen leisen Pfiff aus– und sie war sich nicht sicher, ob er damit Überraschung ausdrückte oder Anerkennung.
» Also ist Ihr einziges Hindernis, dass Sie nicht wissen, wie Sie auch ohne Genehmigung an die Dateien kommen sollen?«, fragte er, und er klang dabei seltsam bedacht.
Jetzt erst sah sie ein kleines Funkeln in seinen Augen, und als wiederum er erkannte, dass sie es bemerkt hatte, stahl sich ein schelmisches Grinsen auf seine Lippen.
» Sie meinen, es gäbe einen Weg?«, fragte sie.
» Keinen legalen.«
Sie überlegte. » Elli?«
Er schüttelte den Kopf.
» Vielleicht würde sie sich darauf einlassen«, sinnierte er laut. » Ziemlich wahrscheinlich sogar. Doch ich will sie nicht in die Sache mit hineinziehen. Es reicht, wenn wir beide unsere Pension verlieren, falls etwas schiefläuft.«
Sie wartete ungeduldig darauf, dass er weitersprach.
Er aber schnitt sich in aller Seelenruhe ein dickes Stück Camembert ab, legte es auf seine Brötchenhälfte und biss hinein.
» Also?«, fragte sie, als sie sein Schweigen nicht länger ertrug.
» Hm«, machte er und kaute gemächlich den Mund leer. » Ich hätte da eine Idee.«
» Was für eine?«
Er lächelte sie an.
» Das sage ich Ihnen, wenn wir in Ruhe zu Ende gefrühstückt haben«, meinte er. » Sonst kommen Sie noch auf dumme Gedanken und rauschen gleich wieder auf nüchternen Magen los. Und wozu so etwas führt, haben wir ja heute Morgen erlebt.«
Sie warf ihm einen ungehaltenen Blick zu, aber als sie bemerkte, mit welcher Freundlichkeit er sie ansah, musste auch sie plötzlich lächeln… und sie aß folgsam ihr Brötchen auf.
57
Justizvollzugsanstalt Wiesbaden.
» Wir sind uns einig, dass das, was jetzt geschieht, absolut unter uns bleibt?«, fragte Gebert, als sie, zum zweiten Mal seit Beginn der Ermittlungen, auf dem Parkplatz vor der Justizvollzugsanstalt Wiesbaden aus dem Wagen stiegen.
» Wie soll ich das beurteilen können? Sie haben mir ja noch immer nicht verraten, was Sie vorhaben«, antwortete Inga Jäger ausweichend.
Sie fühlte– auch ohne dass sie wusste, was genau Gebert vorhatte–, dass sie gerade dabei war, sich auf sehr dünnes Eis zu begeben. Er hatte sie informiert, dass der Weg, auf den er sie gerade führte, kein legaler war. Dennoch war sie mit ihm hergefahren und auch bereit, diesen Weg zu beschreiten.
» Und das wird auch so bleiben, wenn Sie mir nicht schon im Voraus Ihr absolutes Stillschweigen versichern«, erklärte er. Sein Gesicht war völlig neutral.
» Sie verlangen ganz schön viel.«
» Nicht weniger, als ich zu liefern bereit bin«, stellte er klar. » Schließlich bin ich in unserem kleinen Team nur der Cop, und Sie sind die
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