Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
kurzerhand auf dem Sofa im Wohnzimmer geschlafen.
Sie schälte sich mit zunächst noch müden Bewegungen von unter ihrer flauschig warmen Bettdecke hervor und musste unwillkürlich lächeln. Es war schon lange her, dass sie nicht die Erste war, die aufstand… dass dann der Kaffee schon fertig war… Stimmen aus der Küche… Tanyas Lachen. So lange her, dass es ihr wie Ewigkeiten erschien… wie aus einem früheren Leben.
Sie setzte sich auf der Bettkante auf und ließ sich mit halb geschlossenen Augen das heute Morgen goldene Licht der Herbstsonne ins Gesicht scheinen. Auch das half, die Schrecken von gestern Nacht ein klein wenig mehr zu vertreiben.
Nach einem kleinen Moment der inneren Ruhe stand sie auf und schlurfte, um die beiden nicht zu stören, leise ins Bad und nahm Zahnbürste und-creme gleich mit unter die Dusche. Vier Stunden Schlaf waren eindeutig zu wenig, aber das heiß aus der Brause strahlende Wasser und der frische Geschmack nach Minze und Fluor spülten binnen weniger Momente die Schlafspinnweben aus ihrem Kopf und belebten sie zügig.
Als sie zehn Minuten später in die angenehm warme Küche trat, war Gebert gerade dabei, aus einer großen gusseisernen Pfanne Rühreier mit Speck für sie drei auf Teller aufzutun, und aus dem Toaster sprangen vier goldbraune Scheiben.
» Guten Morgen, Schlafmützchen«, krähte Tanya ihr aufgekratzt heiter entgegen und holte den Toast aus der Maschine. » Der frühe Vogel fängt den Wurm.«
Normalerweise war es Inga, die Tanya mit diesem Spruch weckte, und die Kleine schien stolz wie Nachbars Lumpi zu sein, den Spieß endlich einmal herumdrehen zu können.
» Guten Morgen«, antwortete Inga mit einem Lächeln und einem Augenzwinkern, setzte sich und bedankte sich, als Gebert ihr eine Tasse Kaffee hinstellte.
» Guten Morgen«, sagte auch er– und seine ohnehin schon tiefe Stimme klang wegen des Schlafmangels noch einmal eine kratzig-raue Oktave tiefer.
» Schläft Kai jetzt öfter hier?«, fragte Tanya mit kindlicher Hoffnung.
Inga jedoch hätte beinahe den ersten Schluck, den sie gerade nahm und der genau so schmeckte, wie er schmecken sollte, wieder herausgeprustet und spürte dabei, wie sie schlagartig bis zu den Ohren hin rot wurde.
» Ähm…«
Gebert kam ihr glücklicherweise mit einer Antwort zuvor. » Nur, wenn wir ausnahmsweise mal wieder bis tief in die Nacht hinein arbeiten müssen«, sagte er. » Weißt du, ich war danach so müde, dass es gefährlich gewesen wäre, wenn ich noch mit dem Auto nach Hause gefahren wäre.«
» Schade«, sagte Tanya traurig und ließ die schmalen Schultern sacken. » Weil, ich mag Rühreier mit Speck zum Frühstück.« Zum Beweis schob sie sich eine weitere hoch gehäufte Gabel in den kleinen Mund, den sie dabei so weit aufsperrte, wie sie nur konnte. » Bei Mama gibt es morgens sonst nur Vollkorn-Müsli und ungesüßten Joghurt.«
» Auch gesund«, meinte Gebert lachend, während er sich zu ihnen setzte, und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: » Habe ich mir sagen lassen.«
Sofort sprang Inga eine bissige Réplique auf die Zungenspitze, die beinhaltete, dass sie eben Wert darauf legte, dass sie und Tanya dafür von ein paar Treppen nicht sofort ins Schnaufen gerieten, aber sie schluckte sie unausgesprochen wieder herunter, um die Stimmung nicht zu verderben… und weil sie es schön fand, dass Gebert sie und Tanya so verwöhnte… und dass die beiden einander so gut verstanden. Gleichzeitig machte ihr gerade das ein schlechtes Gewissen. Doch auch das schluckte sie der guten und auf gleich mehreren Ebenen heilsamen Stimmung zuliebe zusammen mit einer Gabel voll Rührei und einem großen Schluck Kaffee hinunter.
Nicht mehr als eine dreiviertel Stunde später hatten sie Tanya bei der Schule abgeliefert, aber statt in Richtung Staatsanwaltschaft lenkte Gebert nun seinen Wagen zu Inga Jägers Verwunderung in Richtung Autobahn in den Rheingau.
» Ich habe heute Morgen schon mit der Otto telefoniert«, erklärte er, ehe Inga Jäger fragen konnte, wohin er wollte. » Sie hat beim Standesamt Rüdesheim einen heute noch dort lebenden Bruder der Margarete Volz ausgemacht. Ich wollte damit unser Frühstück nicht stören.«
» Danke«, sagte sie. » Und auch danke für den wirklich ausgezeichneten Kaffee.«
» Und auch für die Cholesterinbomben?«, fragte er vorsichtig. » Es tut mir ehrlich leid. Ich hatte keine Ahnung von dem Müsli und dem Joghurt.«
Sie lachte. » Ja, natürlich auch für die
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