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Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Hagen
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eigenen Mannes erlebt hatte.
    Aber erst, als Gebert plötzlich neben ihr auf dem Sofa saß, ihr den schweren Arm um die schmale Schulter legte und mit seiner tiefen Stimme tröstend auf sie einsprach, merkte sie, dass sie laut zu schluchzen begonnen hatte.
    Ihre Wangen waren nass von ihren eigenen warmen und salzigen Tränen, und ihr ganzer Körper hatte angefangen zu beben. Sie fühlte, dass sie die Fäuste, wie in einem Krampf, so fest zusammengeballt hatte, dass sie sich die Fingernägel tief in das Fleisch ihrer Handballen grub.
    Gebert legte ihr die riesige Hand an die Wange und drückte ihr glühendes Gesicht sanft an seine breite Brust.
    » Es tut mir leid«, flüsterte sie stockend. » Ich…«
    » Schhhh«, machte er leise und flüsterte: » Weinen Sie ruhig. Das ist völlig in Ordnung.«
    Da brach es vollends aus ihr heraus, und ohne es noch steuern zu können, schlang sie ihre Arme um ihn und weinte ungehemmt drauflos.
    Sie weinte, bis ihr die Augen brannten und sie glaubte, nicht eine einzige Träne mehr zu besitzen… und dann doch noch ein wenig weiter… und Gebert ließ sie. Er hielt sie einfach nur fest und streichelte ihr sanft das Haar.
    Die einfühlsame Berührung seiner großen Hand und der kräftige Schlag seines Herzens beruhigten sie ganz allmählich wieder, doch sie schämte sich ihrer Tränen nicht.
    Langsam löste sie sich aus seiner Umarmung und richtete sich wieder auf.
    » Danke«, sagte sie leise, und er reichte ihr wortlos ein Taschentuch, ehe er ihr verständnisvoll zunickte und sich erhob, um zurück auf seinen Platz zu gehen.
    Sie wischte sich die Tränen vom Gesicht und schnäuzte sich. Dann nahm sie einen Schluck Tee.
    Nichts war wieder in Ordnung oder würde, was dieses grausame Verbrechen betraf, je wieder in Ordnung kommen, aber wenn sie wollte, dass künftig nicht noch mehr Unschuldige litten, musste sie sich jetzt zusammenreißen und ihre Pflicht tun.
    » Sollen wir eine Pause machen?«, fragte Gebert.
    Sie schüttelte den Kopf. » Es geht schon wieder.«
    Er zündete zwei Zigaretten an und reichte ihr eine.
    Sie nahm sie mit noch immer leicht zittrigen Fingern dankbar entgegen und tat einen tiefen, wohltuenden Zug. Dann wandte sie sich wieder ihrem Notebook zu.
    » Die Daten reichen von 1940 bis 1945«, sagte sie und klang dabei noch ein wenig verschnupft. » Konzentrieren wir uns in diesen fünf Jahren jeweils auf den 22. September, das Datum der Ermordung der Schneider-Frauen.«
    Gebert nickte. » Das Geschlecht und die Todesart der aktuellen Mordopfer zugrunde legend«, sagte er, » sollten wir ausschließlich nach einer Frau oder nach einem Mädchen suchen, die oder das von Doktor Wilhelm Schneider persönlich hingerichtet und in den Weinbergen erschossen wurde.«
    » Ja«, sagte sie. » Wer immer die Schneider-Frauen ermordet hat, bringt sie mit hoher Wahrscheinlichkeit genauso um, wie die umgebracht wurde, die er rächen will.«
    Sie arbeiteten stumm und machten sich Notizen.
    Es gab nichts, aber auch gar nichts, was einer von beiden hätte sagen können, das diese Arbeit weniger schrecklich oder im Nachhinein noch das Leid der vielen Menschen auf den Todeslisten wiedergutmachen konnte.
    Nach vier Stunden blieben zwei Namen übrig:
    Die siebenjährige Anna Haust aus Oestrich, die 1943 wegen Epilepsie auf dem Eichberg eingeliefert und kurz darauf in den Weinbergen davor erschossen worden war.
    Und die dreizehnjährige Margarete Volz aus Rüdesheim.
    » Ich tippe auf Margarete Volz«, sagte Inga.
    » Warum?«, fragte Gebert.
    » Wegen des Alters«, erklärte sie. » Die sechs Schneider-Frauen wurden alle im Abstand von dreizehn Jahren ermordet. Das muss etwas zu bedeuten haben.«
    Gebert stimmte ihr zu, und sie machten sich auf die Suche nach der Krankenakte des Mädchens. Trotz der Stichwortsuche, die nur sehr grob war, dauerte es noch einmal fast eine dreiviertel Stunde, ehe sie fündig geworden waren.
    » Margarete Volz«, las Gebert vor. » 1941 eingewiesen durch die Rüdesheimer Gemeindekrankenschwester Else Weiß. Befund: geistige Verwirrung.«
    » Geistige Verwirrung?«, wiederholte Inga.
    Er schüttelte ungläubig den Kopf, während er auf seinen Monitor starrte. » Sie war mit einem jüdischen Jungen befreundet.«

59
    Inga wurde von dem verführerischen Duft frisch gebrühten Kaffees geweckt und von den fröhlich lachenden Stimmen von Gebert und Tanya in der Küche. Weil es gestern Nacht bei der Sichtung der Archivunterlagen so spät geworden war, hatte Gebert

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