Ihr unschuldiges Herz: Kriminalroman (German Edition)
Korb, den ich gerade bekommen habe, ohne überhaupt irgendwelche Avancen gemacht zu haben. Von dem natürlich ganz bestimmt nicht. Aber von dem ganzen Rest, den Sie gesagt haben. Weil… na ja, ich mag Sie auch sehr gern. Wirklich. Zum einen weil und zum anderen obwohl Sie so sind, wie Sie sind. Aber Sie und ich ein Paar?« Er lachte laut dröhnend.
Wenn Inga gedacht hatte, sie könne nicht noch röter werden, hatte sie sich geirrt.
Für einen sich ewig lang anfühlenden Sekundenbruchteil war sie versucht, trotz der Aufklärung des Missverständnisses und wider jede Vernunft nachzuhaken, wieso, um alles in der Welt, ihn die Vorstellung von ihnen als Paar so sehr zum Lachen brachte, aber so neugierig sie war, so wenig wollte sie doch den Moment nicht noch unbehaglicher machen, als er bereits war.
Stattdessen fragte sie: » Wenn nicht das, was war es dann Persönliches, das Sie fragen wollten?«
Er räusperte sich. » Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt noch so eine gute Idee ist.«
» Na, kommen Sie schon. Schießen Sie los. Sonst steck ich ewig im Michschämen fest.«
» Sicher?«
» Ganz sicher.«
» Also gut«, sagte er. » Es geht um Hamburg… und Ihren Mann.«
Sie spürte, wie ihr die Farbe schlagartig wieder aus dem Gesicht wich. » Was meinen Sie?«
» Nun ja, ich habe Sie inzwischen als eine Frau kennengelernt, die nicht aufgibt.«
» Ja?«
» Wie kommt es dann, dass der Mord an Ihrem Mann bis heute nicht aufgeklärt ist?«
Mit einem Mal war alle Peinlichkeit verschwunden, und ihr war eiskalt– genauso kalt wie ihre Stimme, mit der sie jetzt nach einem kurzen Zögern sagte: » Wie ich bereits zu verstehen gegeben habe, Herr Gebert: Ich bevorzuge es, unser Verhältnis auf einer rein professionellen Ebene zu halten, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie dieses Thema nie wieder zur Sprache bringen würden.«
Sie sah von der Seite, wie auch sein Gesicht von jetzt auf gleich zu einer steinernen Maske wurde. » Ganz wie Sie wünschen, Frau Staatsanwältin«, sagte er tonlos. » Ganz wie Sie wünschen…«
Etwas in ihr schrie auf, ihn um Entschuldigung zu bitten… ihm zu erklären, warum sie von Hamburg weggegangen war… ihm zu erzählen, wie ihr Mann ums Leben gekommen war– und warum sie seinen Mord nicht aufgeklärt hatte.
Aber das hätte all die Wunden wieder aufgerissen, die in den vergangenen Wochen und Monaten gerade einmal ganz dünn vernarbt waren… würde sie wieder zu dem Wrack machen, das sie in Hamburg gewesen war… das sie hinter sich gelassen hatte.
Nein, da war es das kleinere Übel, Gebert vor den Kopf gestoßen zu haben– sosehr sie das auch bedauerte.
60
Rüdesheim am Rhein.
Wenn man auf der B42 nach Rüdesheim am Rhein hineinfährt, hat man noch keine Ahnung, was für ein hübsches, verwinkeltes und vor allem verträumtes Städtchen einen erwartet. Die ersten paar hundert Meter sind von nach Industriegebiet anmutenden Grundstücken voller Drogeriemärkte, Tankstellen, Maschinenbauwerkstätten und Autoverkaufshäusern verschandelt. Die Romantik mit ihren Fachwerkhäuschen, Gründerzeitvillen und Burgruinen beginnt erst dahinter.
Die ganze verbliebene Fahrt über hatten Inga Jäger und Kommissar Gebert kein einziges Wort mehr miteinander gewechselt, und sie sehnte sich nach dem Moment, in dem sie das Weingut Volz erreichten und sie endlich aussteigen konnte, um nicht mehr dicht an dicht nebeneinander sitzen zu müssen.
Sie fühlte sich lausig– schließlich hatte er ihr überhaupt nichts getan; zumindest nicht wissentlich oder gar mit Vorsatz. Er war mit seiner fürsorglichen und interessierten Art lediglich auf eine Mine getreten, von der er nicht wissen konnte, dass sie sie vergraben hatte. Er hatte sie als starke Frau kennengelernt, die für das, was sie will, zu kämpfen bereit ist; von dem schwachen Mädchen, für das in Hamburg eine Welt zusammengebrochen und deren einziger Ausweg die Flucht gewesen war, hatte er keine Ahnung. Woher sollte er auch?
Gebert bog nach rechts ab und fuhr den Berg hinauf.
Zu ihrer Linken thronte die Germania, das Niederwalddenkmal, über den zum Rhein hin steil abfallenden Weinbergen und schräg rechts vor ihnen die nicht viel weniger imposante Benediktinerinnenabtei St. Hildegard.
Kurz darauf erreichten sie den Aussiedlerhof, und Gebert parkte den Wagen auf einem Platz vor der alten Bruchsteinmauer. Das Tor stand weit offen, und es roch nach frisch geernteten Trauben und Most. An der Mauer über dem Tor prangerte in
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