Ihr wahrer Name
jedenfalls - obwohl Commander Purling vom Twenty-first District nicht gerade glücklich ist. Seine Leute haben das Problem am Tatort nicht wahrgenommen, deswegen war's ihm lieber, wenn es sich nicht als Mord entpuppen würde. Aber ich hab' ihn darauf hingewiesen, daß die Fotos von der Spurensicherung die Waffe direkt unter der Hand des Opfers zeigen. Wenn der Mann Selbstmord begangen hätte, wäre die Waffe aus Höhe seines Kopfes heruntergefallen, und zwar weg von seinem Arm, nicht direkt unter seine Hand. Also hat Purling weitere Ermittlungen angeordnet. Aber jetzt muß ich los.«
Bevor er auflegen konnte, fragte ich ihn hastig, ob sicher sei, daß die SIG Trailside die Tatwaffe gewesen war.
»Hast du noch mehr Zauberkunststückchen für mich, Warshawski? Ich leite die Frage ans Labor weiter. Bis dann.«
Während ich für die Hunde eine Schüssel mit Wasser füllte, überlegte ich, ob ich Commander Purling vom Twenty-first District, dem einundzwanzigsten Bezirk, anrufen und ihm sagen sollte, was ich wußte. Aber es war so wenig - der mysteriöse Anruf in Fepples Büro am Freitag abend und hinterher der ebenso mysteriöse Besucher dort -, und die Leute von der Polizei würden das alles von dem Wachmann beziehungsweise aus Fepples Telefonlisten erfahren. Wenn ich mich tatsächlich bei Purling meldete, bedeutete das im besten Fall einige Stunden auf dem Revier, in denen ich erklären mußte, was ich mit der ganzen Sache zu tun hatte. Und im schlimmsten hatte ich vielleicht mehr Probleme am Hals, als ich brauchen konnte, weil ich den Tatort auf eigene Faust inspiziert hatte.
Außerdem war das weder mein Fall noch mein Problem. Meine Aufgabe war es, die Ajax dazu zu bringen, daß die Gesellschaft der Sommers-Familie zahlte, was sie ihr aufgrund der von Aaron Sommers abgeschlossenen Versicherung schuldete. Aaron Sommers, dessen Name auf einem alten Kladdenblatt in Howard Fepples Aktentasche stand, daneben zwei Kreuze. Ich rief bei Cheviot an und verlangte Kathryn Chang.
»Ach, ja, Barry hat mir das Blatt Papier von Ihnen gegeben. Ich hab's mir erst kurz angeschaut, aber aufgrund des Wasserzeichens würde ich sagen, daß es in der Schweiz hergestellt wurde, und zwar in der Baume-Manufaktur außerhalb von Basel. Es handelt sich um ein Baumwollgewebe, das während des Zweiten Weltkriegs wegen des Rohstoffmangels nicht hergestellt wurde, also stammt es grob aus der Zeit zwischen 1925 und 1940. Sobald ich mir die Tinte genauer angesehen habe, kann ich präzisere Angaben machen, denn dann kann ich besser beurteilen, wann die Wörter niedergeschrieben wurden. Allerdings wird das mindestens eine Woche dauern, weil ich zuvor noch eine Menge anderer Aufträge erledigen muß.«
»Das ist in Ordnung; die Informationen reichen mir im Moment«, sagte ich und dachte über das nach, was sie mir mitgeteilt hatte. »Wissen Sie, ob diese Art Papier hauptsächlich oder vielleicht sogar ausschließlich in der Schweiz verwendet wurde?«
»Nein, nein. Das Baume-Werk hat jetzt keine so große Bedeutung mehr, aber bis in die Mitte der sechziger Jahre war es eine der größten Manufakturen der Welt für feine Papiere. Bei dem, das ich von Ihnen habe, handelt es sich um eine Art, die besonders für Adreß- und Tagebücher und ähnliche Dinge benutzt wurde. Eine Verwendung wie im vorliegenden Fall, nämlich als Buchhaltungspapier, ist eher unüblich. Die Person, der es gehört hat, muß sehr... wie soll ich es ausdrücken? Sehr von sich eingenommen gewesen sein. Natürlich würde es mir sehr helfen, wenn ich das Buch, aus dem es herausgerissen wurde, sehen könnte.«
»Tja, das würde mir auch helfen. Aber eins würde mich besonders interessieren: Können Sie feststellen, von wann die unterschiedlichen Einträge stammen? Nicht das genaue Jahr, sondern eher, ob manche der Eintragungen aktuelleren Datums sind als andere.«
»Gut. Das schreibe ich dann auch in meinen Bericht, Ms. Warshawski.« Ich hatte das Gefühl, daß es an der Zeit war, Ralph einen weiteren Besuch abzustatten. Seine Sekretärin erinnerte sich noch von der vergangenen Woche an mich, erklärte mir aber, Ralph könne mich nicht empfangen, er habe bis halb sieben abends durchgehend Termine. Als ich ihr jedoch sagte, ich könnte vielleicht helfen, Alderman Durham den Wind aus den Segeln zu nehmen, legte sie mich in die Warteschleife - wie sich herausstellte, blieb mir dort genug Zeit, den gesamten Sportteil des Herald-Star zu lesen. Als sie sich wieder meldete, teilte sie mir
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