Ihr wahrer Name
hatte.
Es lag Macht in dieser sanften, distanzierten Stimme, und sie provozierte mich. »Es handelt sich um den Anspruch einer armen afroamerikanischen Familie in der Chicagoer South Side. Hier wäre eine wunderbare Gelegenheit für die Ajax, die Rhetorik von Preston Janoff in die Tat umzusetzen und der trauernden Witwe ihre zehntausend Dollar zu zahlen.«
Der Banker sagte: »Dann verfolgen Sie die Sache also aus reinem Edelmut, nicht, weil Sie irgendwelche Beweise haben?« Sein Tonfall ließ den Satz nicht gerade nach einem Kompliment klingen.
»Und warum versuchen Sie das Ganze überhaupt mit Bertrands Unternehmen in Verbindung zu bringen?« fragte die Romanschriftstellerin.
»Ich weiß nicht, wer den 1991 von der Ajax ausgestellten Scheck eingelöst hat«, sagte ich auf englisch, um sicher zu sein, daß ich mich klar ausdrückte. »Aber zwei Dinge lassen mich vermuten, daß es entweder der Agent oder jemand in der Gesellschaft gewesen ist: erstens meine Kenntnis der Familie, die den Anspruch erhebt, und zweitens die Tatsache, daß das Original der Akte verschwunden ist. Und zwar nicht nur aus der Agentur, sondern auch aus der Gesellschaft. Vielleicht war sich derjenige, der sie gestohlen hat, nicht im klaren darüber, daß sich in Mr. Rossys Büro noch eine Kopie befand.«
»Ma il corpo«, sagte die Frau das Bankers. »Haben Sie die Leiche gesehen? Heißt es nicht, daß die Position des Toten und der Waffe die Polizei zu dem Glauben veranlaßt hat, es handle sich um Selbstmord?«
»Signora Bugatti hat recht«, sagte ich. »Europäer sind wirklich neugierig auf die Einzelheiten von Gewalttaten in Amerika. Leider hat Mrs. Fepple mir den Schlüssel zum Büro ihres Sohnes erst nach dem Mord gegeben, so daß ich keine Details über die Leiche zum besten geben kann.« Rossy runzelte die Stirn. »Es tut mir leid, wenn wir Ihnen voyeuristisch erscheinen, aber wie Sie bereits gehört haben, machen sich die Mütter in Europa große Sorgen um ihre Töchter und Enkel. Trotzdem sollten wir jetzt, glaube ich, über weniger blutrünstige Themen sprechen.« Fillida nickte. »Ja, ich denke auch, daß wir genug über Blutvergießen gesprochen haben. Ich schlage vor, daß wir zum Kaffee zurück ins Wohnzimmer gehen.«
Als die anderen auf den strohfarbenen Rohseidensofas Platz nahmen, bedankte und entschuldigte ich mich gleichzeitig bei Fillida Rossy. »Una serata squisita. Aber ich fürchte, ein früher Termin morgen zwingt mich, Sie ohne Kaffee zu verlassen.«
Weder Fillida noch Bertrand unternahm irgendwelche Anstrengungen, mich zurückzuhalten, obwohl Fillida etwas von einem gemeinsamen Abend in der Oper murmelte. »Auch wenn ich es nicht für möglich halte, daß Tosca irgendwo außerhalb der Scala gesungen werden kann. Für mich ist das fast ein Sakrileg.«
Bertrand begleitete mich höchstpersönlich zur Tür und versicherte mir im Brustton der Überzeugung, daß ich ihnen viel Freude gebracht hätte. Er wartete an der offenen Tür, bis der Aufzug kam. Ich hörte, wie das Gespräch sich hinter ihm dem Thema Venedig zuwandte, wo Fillida, Laura und Janet zusammen das Filmfest besucht hatten.
32
Klient in der Klemme
Mein Gesicht wirkte im Spiegel des Aufzugs wild und ausgezehrt, als hätte ich Jahre in einem Wald, fernab von jeder menschlichen Zivilisation, verbracht. Ich fuhr mir mit dem Kamm durch das dichte Haar und hoffte, daß meine Augen nur aufgrund des Lichts so tiefliegend aussahen. Dann holte ich einen Zehn-Dollar-Schein aus meiner Brieftasche und steckte ihn in die geschlossene Hand. Im Foyer schenkte ich dem Portier ein charmantes Lächeln und sagte etwas übers Wetter.
»Ja, ist mild für die Jahreszeit«, pflichtete er mir bei. »Brauchen Sie ein Taxi, Miss?« Ich antwortete, ich habe es nicht weit. »Allerdings hoffe ich, daß es später nicht so schwierig sein wird, ein Taxi zu kriegen -die anderen Gäste von den Rossys haben so ausgesehen, als würden sie die ganze Nacht dableiben wollen.«
»Ja, ja. Sehr kosmopolitisch, diese Partys. Die Leute bleiben oft bis zwei oder drei in der Früh.« »Mrs. Rossy ist eine hingebungsvolle Mutter, doch am Morgen fällt's ihr sicher schwer, mit den Kindern aufzustehen«, sagte ich im Gedanken daran, wie sie die beiden vor dem Schlafengehen umarmt und gestreichelt hatte.
»Das Kindermädchen bringt sie in die Schule, aber wenn Sie mich fragen, wären die Kleinen glücklicher, wenn sie nicht so glucken würde. Zumindest der Junge, der mag's gar nicht, wenn sie ihn
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