Ihr wahrer Name
finden könnte. Vielleicht sogar in Bologna, obwohl ich mir das kaum vorstellen kann.«
»In deiner Heimatstadt also nicht, carai« sagte Bertrand. »Deine Heimat muß einfach die beste Stadt der Welt sein, ganz ohne üble Viertel.«
Er prostete seiner Frau lachend mit seinem Weinglas zu, aber sie runzelte die Stirn. Er reagierte mit einem finsteren Blick, stellte sein Glas ab und wandte sich der Frau des Bankers zu. Hinter Filiidas sanfter Stimme verbarg sich offensichtlich ordentlich Power: keine Scherze über Bologna an diesem Tisch; zieh eine andere Krawatte an, wenn mir die hier nicht gefällt; Wechsel das Thema, wenn mir das jetzige nicht paßt.
Als Laura Bugatti Filiidas Verärgerung bemerkte, rief sie rasch mit atemloser Mädchenstimme. »Mord in Bertrands Unternehmen? Wieso weiß ich davon nichts? Wollt ihr mir etwa wichtige kulturelle Informationen vorenthalten?« fügte sie an ihren Mann gewandt schmollend hinzu. »Einer der Versicherungsagenten von der Ajax ist tot in seinem Büro aufgefunden worden«, erklärte der Banker ihr. »Jetzt sagt die Polizei, es sei Mord gewesen, nicht Selbstmord, wie zuerst angenommen. Sie haben doch für ihn gearbeitet, nicht wahr, Signora Warshawski?« »Nein, gegen ihn«, korrigierte ich ihn. »Er war der Schlüssel zu einem strittigen...« Ich suchte nach Worten: Auf italienisch hatte ich noch nie Diskussionen über finanzielle Dinge geführt. Schließlich wandte ich mich hilfesuchend an Rossy, der »Lebensversicherungsanspruch« für mich übersetzte. »Jedenfalls hielt er den Schlüssel zu einem solchen strittigen Anspruch der Ajax gegenüber in der Hand, und leider habe ich ihn nicht dazu gebracht, mir zu sagen, was er wußte.« »Das heißt, sein Tod hat Sie frustriert«, sagte der Banker.
»Ja, frustriert und auch vor ein Rätsel gestellt. Denn alle Papiere, die mit diesem Anspruch zu tun haben, sind verschwunden. Auch heute hat jemand einen Aktenschrank im Unternehmen durchwühlt, um an Dokumente zu kommen.«
Rossy stellte sein Weinglas mit einem Knall auf den Tisch. »Woher wissen Sie das? Warum hat man mich nicht informiert?«
Ich breitete die Hände aus. »Sie waren in Springfield. Und ich habe es nur erfahren, weil Ihr Signor Devereux mich im Verdacht hatte, für den Diebstahl verantwortlich zu sein.« »Aus meinem Büro?« fragte er.
»Aus der Leistungsabteilung. Die Kopie in Ihrem Büro war intakt.« Ich erwähnte nichts von Ralphs Gefühl, daß irgend etwas mit der Akte nicht stimmte.
»Das heißt, Sie haben die Dokumente des Agenten in diesem Fall nie zu Gesicht bekommen?« fragte Rossy. »Nicht einmal, als Sie nach seinem Tod in seinem Büro waren?« Ich legte Messer und Gabel ordentlich neben meinen Teller. »Und woher wissen Sie, daß ich nach Fepples Tod in seinem Büro war?«
»Ich habe Devereux heute nachmittag von Springfield aus angerufen. Er hat mir gesagt, daß Sie ihm irgendein Dokument aus dem Büro des toten Agenten gebracht haben.« Das Hausmädchen ersetzte unsere Teller durch weiteres Geschirr mit Goldrand, diesmal mit Himbeermousse auf frischen Früchten.
»Die Mutter des Toten hat mir einen Büroschlüssel gegeben und mich gebeten, nach Beweisstücken zu suchen, die die Polizei möglicherweise übersehen hatte. Und dort habe ich dann dieses eine Blatt Papier gefunden, bei dem es sich offenbar um ein sehr altes handgeschriebenes Dokument handelt. Der einzige Grund, warum ich eine Verbindung zu dem strittigen Anspruch herstelle, ist der, daß sich der Name des toten Policeninhabers darauf befindet. Ob dieses Papier allerdings mit dem Anspruch zu tun hat oder mit etwas ganz anderem, kann ich nicht sagen.«
Laura Bugatti klatschte in die Hände. »Das ist ja aufregend: ein mysteriöses Dokument. Wissen Sie, wer es verfaßt hat? Oder wann?«
Ich schüttelte den Kopf. Die Fragen bereiteten mir Unbehagen; sie brauchte nicht zu wissen, daß ich das Papier hatte untersuchen lassen.
»Wie enttäuschend.« Rossy lächelte mich an. »Und dabei habe ich so von Ihrer übernatürlichen Gabe geschwärmt. Sie erkennen doch sicher wie Sherlock Holmes siebenundfünfzig verschiedene Papierarten an ihrer Asche, oder?«
»Leider«, sagte ich, »kann man sich auf meine Fähigkeiten in dieser Hinsicht nicht verlassen. Sie erstrecken sich eher auf Menschen und ihre Motive als auf Dokumente.«
»Warum beschäftigen Sie sich dann überhaupt mit dem Fall?« fragte Fillida, die die Finger wieder um den schweren Griff ihres unbenutzten Löffels gewölbt
Weitere Kostenlose Bücher