Ihr wahrer Name
in der Öffentlichkeit an der Hand hält. Wahrscheinlich hat er in der Schule mitgekriegt, daß amerikanische Jungs sich nicht die ganze Zeit von ihren Müttern anfassen und die Kleidung richten lassen.«
»Sie ist wirklich eine sanfte Frau, doch zu Hause scheint sie das Sagen zu haben.« Er öffnete die Tür für eine ältere Frau mit einem kleinen Hund und meinte, was für eine schöne Nacht es doch für einen Spaziergang sei. Daraufhin fletschte der kleine Hund die Zähne und funkelte ihn unter seinem dichten weißen Pony an. »Wollen Sie für die Rossys arbeiten?« fragte er, als die Frau mit dem Hund weg war. »Nein, nein, ich bin eine Geschäftspartnerin von Bertrand Rossy.«
»Ich wollte nur sagen - ich würde da oben nicht für viel Geld arbeiten. Sie hat ziemlich europäische Vorstellungen darüber, welchen Platz das Dienstpersonal hat, und da gehöre auch ich dazu: Ich bin so was wie ein Möbelstück, das ihr ein Taxi ruft. Soweit ich weiß, hat sie das Geld. Er hat die Tochter vom Boß geheiratet und katzbuckelt immer noch vor der Familie. Das hab' ich jedenfalls gehört.«
Ich versuchte vorsichtig, ihn beim Thema zu halten. »Es ist sicher nicht schlecht, für sie zu arbeiten, sonst wäre doch Irina bestimmt nicht mit ihr aus Italien hier rübergekommen.« »Aus Italien?« Er hielt die Tür für eine Gruppe von Jungen im Teenageralter auf, fing aber kein Gespräch mit ihnen an. »Irina ist aus Polen. Wahrscheinlich eine Illegale. Schickt ihr ganzes Geld heim zu ihrer Familie wie alle Einwanderer. Nein, die Lady hat 'ne kleine Italienerin mit hergebracht, die auf die Kinder aufpaßt, damit die ihr Italienisch nicht vergessen. Ist ein ziemlich hochnäsiges Mädchen, spricht nicht mit jedem«, fügte er voller Unmut hinzu. Aber immerhin: Klatsch über die hohen Herrschaften machte den Job ein bißchen interessanter. »Dann wohnen beide Frauen hier? Also kann Irina nach einem langen Abend wie heute wenigstens hier schlafen.«
»Machen Sie Witze? Ich sag' Ihnen doch, für Mrs. Rossy sind Bedienstete Bedienstete und bleiben es auch. Der Mister, der geht morgens um acht zur Arbeit, egal, wie spät es geworden ist, aber die Lady steht in der Früh nicht als erste auf, damit der Kaffee für ihn auf dem Tisch ist, wenn er zum Frühstück kommt.«
»Ich weiß, daß sie oft Gäste haben. Eigentlich hätte ich heute abend auch Alderman Durham erwartet, weil der doch vorhin schon mal da war. Oder Joseph Posner.« Ich legte den Zehner unauffällig auf das Kontrollpult mit den Monitoren, auf denen er die Aufzüge und die Straße überwachen konnte.
»Posner? Ach, Sie meinen diesen jüdischen Typ.« Er steckte den Zehner mit einer eleganten Bewegung ein, ohne in seinem Redefluß innezuhalten. »Kann ich mir nicht vorstellen, daß die Lady einen von den beiden an ihren Essenstisch lassen würde. Sie ist so gegen halb sieben hier reingerauscht, hatte das Handy am Ohr. Ich dachte, na, die wird mit dem Mister reden, weil's Italienisch war, doch sie hat aufgelegt und sich zu mir gedreht. Sie brüllt nie, läßt's einen aber ganz deutlich spüren, wenn sie mächtig sauer ist. Jedenfalls hat sie gesagt: >Mein Mann hat für heute abend einen Geschäftspartner zu einem Gespräch hierher eingeladen. Es handelt sich um einen Schwarzen, der hier unten warten soll, bis mein Mann kommt. Ich kann mich nicht um einen Fremden kümmern, während ich versuche, mich auf die Gäste vorzubereiten A Damit meint sie ihr Make-up und so.«
»Dann hat Mr. Rossy also Alderman Durham erwartet. Hat er Posner auch eingeladen?« Der Portier schüttelte den Kopf. »Posner ist unerwartet hier aufgetaucht und hat sich mit mir rumgestritten, weil ich ihn nicht allein hochlassen wollte. Mr. Rossy hat sich bereit erklärt, mit ihm zu sprechen, sobald Durham weg wäre, aber Posner war dann bloß ungefähr 'ne Viertelstunde oben.«
»Dann war Posner wahrscheinlich ganz schön wütend, daß Rossy nicht länger Zeit für ihn hatte, oder?«
»Ach, Mr. Rossy ist ein guter Kerl, nicht wie die Lady. Er ist immer zu einem Scherz aufgelegt und gibt auch meistens ein Trinkgeld - jedenfalls, wenn sie's nicht sieht; eigentlich möchte man meinen, bei dem Geld, das die hat, könnte sie hin und wieder 'nen Dollar lockermachen, wenn jemand wie ich bis nach Belmont runterläuft, um ein Taxi für sie zu kriegen... aber egal, Mr. Rossy hat diesen jüdischen Typ innerhalb von 'ner Viertelstunde beruhigt. Allerdings kapier' ich nicht ganz, warum der sich so komisch
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