Ihr wahrer Name
»Daß Radbuka sich mit Posner zusammentut, begreife ich ja noch, aber was hat Posner davon, wenn er Max und Lotty attackiert? Er war gestern abend bei Rossy - ich frage mich schon, ob Rossy ihn irgendwie aufs Beth Israel gehetzt hat.«
»Wer weiß, warum jemand wie Posner etwas tut«, sagte Mary Louise ungeduldig. »Hör zu, ich kann heute nur noch zwei Stunden für dich arbeiten. Ich glaube nicht, daß es dir hilft, wenn ich in der Zeit Verschwörungstheorien mit dir diskutiere. Außerdem sehe ich mehr Sinn darin, mich mit dem Fall Sommers zu beschäftigen. Ich kann Finch anrufen und ihn bitten, genauere Informationen über die Ermittlungen zu besorgen und Freemans Assistenten zu unterstützen. Warum hast du dich breitschlagen lassen, in die South Side zu dieser Amy Blount zu fahren? Weißt du, die Leute von der Polizei haben schon recht - solche Einbrüche gibt's wie Sand am Meer. Wir legen Akten darüber an - ich meine, sie tun das - und halten Ausschau nach Diebesgut. Warum verschwendest du deine Zeit mit so was, wenn sie keine Wertgegenstände verloren hat?« Ich grinste. »Das hat mit meinen Verschwörungstheorien zu tun, Mary Louise. Sie hat eine Firmengeschichte für die Ajax geschrieben. Ralph Devereux und Rossy wollen unbedingt rauskriegen, wer die Ajax-Akten gestohlen oder an Durham weitergegeben hat - jedenfalls haben sie sich darüber letzte Woche Gedanken gemacht. Vielleicht hat Rossy Durham fürs erste den Wind aus den Segeln genommen. Wenn jemand Amy Blounts Papiere und Disketten durchgegangen ist, möchte ich wissen, was fehlt. Geht's da um Informationen, die Durham für seine Kampagne in Sachen Sklavenentschädigung braucht? Oder läuft da draußen tatsächlich ein Junkie rum, der so blöd ist, daß er glaubt, er könnte historische Aufsätze für so viel Geld verscherbeln, daß er 'nen Schuß dafür bekommt?« Sie sah mich finster an. »Das ist deine Angelegenheit. Und denk daran in zwei Wochen, wenn du die Schecks für die Miete und die Versicherung ausstellst und dich fragst, warum diesen Monat kein Geld mehr reinkommt.«
»Aber du fährst doch für mich nach Hyde Park und siehst dir das Apartment von Ms. Blount an, oder? Nachdem du Finch die Sache mit Sommers erklärt hast?«
»Wie gesagt, Vic, es ist deine Angelegenheit, und es ist auch dein Geld. Aber offen gestanden begreife ich nicht, was es nützt, wenn ich nach Hyde Park fahre oder wenn du zu Joseph Posner vor der Klinik gehst.«
»Dann habe ich Gelegenheit, mit Radbuka zu sprechen, und das möchte ich schon eine ganze Weile. Vielleicht finde ich sogar raus, worüber Rossy und Posner sich unterhalten haben.« Sie rümpfte die Nase und wandte sich dem Telefon zu. Während sie Finch - Terry Finchley, ihren alten Vorgesetzten aus ihrer Zeit beim Polizeiteam vom Central District - anrief, ging ich an meinen eigenen Schreibtisch. Dort erwarteten mich eine Handvoll Nachrichten, eine von einem wichtigen Klienten, sowie ein halbes Dutzend E-Mails. Ich erledigte alles so schnell wie möglich und machte mich auf den Weg.
34
Wut, Wut, nichts als Wut
Die Klinik befand sich im Nordwestteil der Stadt, so weit von den schicken Vierteln entfernt, daß es dort normalerweise nicht zu Staus kam. Heute jedoch war bereits eineinhalb Kilometer vor dem Krankenhaus auf der Hauptstraße so viel Verkehr, daß ich auf die Seitenstraßen auswich. Fünf Häuserblocks vom Beth Israel schließlich kam er völlig zum Erliegen. Ich suchte verzweifelt nach einer Alternativstrecke, doch gerade als ich eine Kehrtwende machen wollte, dämmerte mir, daß rund um das Beth Israel alle Wege verstopft wären, wenn dieser Stau hier von Schaulustigen verursacht wurde, die Posners Demonstration begafften. Also lenkte ich den Wagen auf einen freien Parkplatz und lief den letzten knappen Kilometer.
Und tatsächlich traf ich Posner und mehrere Dutzend Demonstranten inmitten einer Menschenmenge an - genau wie er es zu lieben schien. Chicagoer Polizisten mühten sich ab, den Verkehr an der Kreuzung in geordnete Bahnen zu lenken; Sicherheitskräfte des Krankenhauses in grün-goldener Uniform versuchten, Patienten zu Seiteneingängen zu dirigieren; Fernsehteams filmten alles. Und besonders für die interessierten sich die Schaulustigen. Es war kurz vor eins -vermutlich waren alle Angestellten, die nach der Mittagspause zurück ins Büro wollten, hier stehengeblieben.
Ich war zu weit weg, um die Texte auf den Plakaten lesen zu können, doch das, was die Demonstranten skandierten,
Weitere Kostenlose Bücher