Ihr wahrer Name
Klinikkittel anschrie: »Sie sind die schlimmste Sorte Antisemiten, Verräter Ihres eigenen Volkes.« »Und Sie, Mr. Posner, mißbrauchen die Gefühle der Menschen, indem Sie die Schrecken von Treblinka für die Förderung Ihres eigenen Ruhms ausnutzen.«
Diese Stimme hätte ich überall erkannt. Die Wut ließ sie die Worte vor ihrem eigentlichen Ende abschneiden wie Zigarrenenden. Ich drängte mich an zwei von Posners Maccabees vorbei, um an ihre Seite zu gelangen. »Lotty, was machst du denn hier? Das ist ein aussichtsloser Kampf - der Kerl will doch bloß, daß sich die Augen aller auf ihn richten.«
Posner sah mit seinen vor Zorn geblähten Nasenflügeln und seinem trotzig verzogenen Mund aus wie ein Bild mit dem Titel »Der Gladiator wartet auf den Löwen« aus meiner Illustrierten Geschichte von Rom.
Lotty, ein kleiner, aber wilder Löwe, schüttelte meine Hand ab. »Kümmer dich wenigstens diese eine Mal um deine eigenen Angelegenheiten, Victoria. Dieser Mann diffamiert die Toten zu seinem eigenen Ruhm. Und er diffamiert auch mich.«
»Dann sollten wir die Sache einem Gericht übergeben«, sagte ich. »Die Fernsehteams zeichnen jedes Wort auf.«
»Gut, bringen Sie mich vor Gericht, wenn Sie sich trauen.« Posner wandte sich mir zu, so daß sowohl seine Anhänger als auch die Reporter ihn hören konnten. »Es ist mir egal, ob ich fünf Jahre im Gefängnis zubringe, wenn das dazu beiträgt, daß die Welt die Sache meines Volkes versteht.« »Ihres Volkes?« fragte ich mit Verachtung in der Stimme. »Sind Sie Moses?« »Macht es Sie glücklicher, wenn ich sie meine >Anhänger< oder mein >Team< nenne? Egal, wie Sie sie nennen wollen, sie wissen, daß es nötig werden könnte zu leiden oder Opfer zu bringen, um das zu erreichen, was wir wollen. Und sie wissen auch, daß dieses Leiden die Form der Verspottung durch ignorante Säkularisten wie Sie oder diese Ärztin hier annehmen kann.« »Und was ist mit dem Leiden der Patienten?« fragte ich. »Eine ältere Frau, die gerade eine ambulante Operation hinter sich hat, kann nicht nach Hause, weil Sie den Eingang blockieren. Wird >Ihr Volk< es verstehen, wenn ihre Familie Sie auf ein paar Millionen Schadenersatz verklagt?«
»Victoria, du brauchst meine Kämpfe nicht für mich auszufechten«, sagte Lotty verärgert.
Ich schenkte ihr keine Beachtung. »Übrigens, Mr. Posner, sollten Sie wissen, daß >Ihr Volk< in Bewegung bleiben muß, sonst kann es wegen Gaffens festgenommen werden.«
»Ich muß mir von einer fremden Frau nicht die Gesetze erklären lassen«, sagte Posner, bedeutete seinen Anhängern aber mit einer Handbewegung, daß sie wieder anfangen sollten, im Kreis zu gehen.
Paul Radbuka hielt sich links neben Posner. Seinem Clownsgesicht war zuerst Freude über Posners Erwiderung, dann Spott über Lottys Äußerung und schließlich Ärger abzulesen, als er mich entdeckte. »Reb Joseph, diese Frau... das ist eine Detektivin; sie ist gegen mich; sie hetzt meine Familie gegen mich auf.«
Die Fernsehteams, die ihre Kameras bisher auf Lotty und Posner gerichtet hatten, wandten sich plötzlich Radbuka und mir zu. Irgendwo hörte ich jemanden fragen: »Ist das diese Warshawski, die Detektivin? Was macht die hier?« Beth Blacksin rief aufgeregt: »Vic, hat die Klinik dich angeheuert, um Posners Behauptungen zu überprüfen? Arbeitest du für Max Loewenthal?«
Ich hielt die Hände schützend über die Augen, um nicht vom Licht der Filmteams geblendet zu werden. »Ich habe eine private Frage an Mr. Posner, Beth. Sie hat nichts mit dem Krankenhaus zu tun.«
Ich tippte Posner auf den Arm und sagte ihm, er solle mit mir ein paar Schritte von den Kameras weggehen. Doch Posner antwortete, er könne sich nicht unter vier Augen mit einer Frau unterhalten.
Ich lächelte freundlich. »Keine Sorge: Wenn die Triebe mit Ihnen durchgehen sollten, bin ich durchaus in der Lage, Ihnen einen Arm zu brechen. Vielleicht auch beide. Aber wenn Ihnen das lieber ist, stelle ich Ihnen meine Frage auch gern vor laufender Kamera.« »Alles, was ich über diese Lotty Herschel und Sie zu sagen habe, kann vor laufender Kamera geschehen«, mischte sich Radbuka ein. »Sie glauben, Sie können hierherkommen, um mich von meiner Familie fernzuhalten, genau wie Sie diesen Rüpel engagiert haben, der jetzt meine kleine Cousine bei Max bewacht, aber damit werden Sie keinen Erfolg haben. Rhea und Don werden mir helfen, der Welt meine Geschichte zu erzählen.«
Posner versuchte, Radbuka zum
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