Ihr wahrer Name
reingekommen?«
»Durch die hintere Tür. Da ist ein Gitter davor, aber das haben sie aufgebrochen, ohne daß irgend jemand von den Nachbarn reagiert hätte. Hyde Park ist angeblich ein liberales Viertel, doch wenn jemand hier Probleme hat, verschwinden alle sofort«, fügte sie mit bitterer Stimme hinzu. »Wo sind Sie jetzt?« fragte ich.
»Bei einer Freundin. Ich konnte nicht in diesem Chaos bleiben, und ich wollte auch nicht aufräumen, bevor jemand sich umgesehen hat, der das Problem ernst nimmt.« Ich notierte mir die Adresse ihrer Freundin und sagte ihr, entweder ich oder Mary Louise würde innerhalb der nächsten zwei Stunden zu ihr kommen. Sie versuchte mich dazu zu überreden, daß ich mich früher auf den Weg machte, aber ich erklärte ihr, Detektiv-Notdienste seien wie Klempner-Notdienste: Wir mußten die Sache irgendwo reinquetschen.
Ich aß das Omelett auf, ließ aber die Pommes, für die ich eine Schwäche habe, weg, denn wenn ich damit anfing, hörte ich nicht mehr auf, und dann konnte ich nicht mehr vernünftig denken. Leider schien es einer jener Tage zu werden, an denen besonderer Scharfsinn gefragt war. Ich wartete nicht auf die Rechnung, sondern legte fünfzehn Dollar auf den Tisch und trottete die Racine Avenue entlang zu meinem Wagen.
Bevor ich in mein Büro zurückkehrte, mußte ich noch etliche Dinge im Financial District erledigen. Während ich ins Stadtzentrum fuhr, rief ich Mary Louise an, um sie zu bitten, daß sie am Nachmittag ein paar Stunden mehr arbeitete und bei Amy Blounts Apartment vorbeischaute. Besonders begeistert war sie darüber nicht. Ich sagte ihr, wir würden uns bald sehen, dann könnte sie mir die Dinge, die sie störten, direkt ins Gesicht sagen.
Da ich schon mal in der Nähe der Stadt- und Bezirksverwaltung war, ging ich hinein und machte mich auf die Suche nach Alderman Durhams Büro. Natürlich hatte er eins in seinem Bezirk, der South Side, aber Verwaltungsleute halten sich hauptsächlich im Loop auf, wo Geld und Macht sitzen.
Ich schrieb eine Nachricht auf meine Visitenkarte: Betrifft das Geld der Witwe und Isaiah Sommers. Schon nach fünfzehn Minuten führte mich die Sekretärin an den anderen Wartenden vorbei, die mich mißbilligend ansahen, weil ich mich vorgedrängt hatte.
Durham hatte einen jungen Mann mit dem marineblauen Blazer und den Insignien von Empower Youth Energy bei sich, einem goldenen Auge, umgeben von dem gestickten Schriftzug »EYE on Youth«. Er selbst trug ein Sakko aus Harris-Tweed sowie ein Hemd mit fahlgrünen, zum Grün des Tweed passenden Streifen.
Er schüttelte mir freundlich die Hand und bot mir einen Stuhl an. »Dann wollen Sie mir also etwas über das Geld der Witwe mitteilen, Ms. Warshawski?«
»Sind Sie in der Angelegenheit auf dem laufenden, Mr. Durham? Sie wissen, daß Margaret Sommers Ihrem Rat gefolgt ist und auf einem Termin mit Howard Fepple, dem Versicherungsagenten, bestanden hat. Als sie dann bei seinem Büro eintraf, war er tot.« »Tut mir leid, das zu hören. Das muß ein großer Schock für sie gewesen sein.« »Aber heute morgen hat sie einen noch größeren erlitten. Man hat ihren Mann nach einem anonymen Anruf zur Befragung aufs Revier mitgenommen. Die Beamten halten ihn für Fepples Mörder. Angeblich weil er so zornig war, daß Fepple seine Tante um ihr Geld gebracht hat.« Er nickte bedächtig. »Den Gedankengang kann ich nachvollziehen, aber ich bin mir sicher, daß Isaiah niemanden umbringen würde. Ich kenne ihn seit Jahren, denn seine Tante, Gott segne sie, hatte einen Sohn, der vor seinem Tod bei meiner Gruppe war. Isaiah ist ein guter Mann, ein gläubiger Mann. Ich kann ihn mir nicht als Mörder vorstellen.«
»Können Sie sich vorstellen, wer hinter dem anonymen Anruf bei der Polizei stecken könnte? Die Leute dort sagen, es ist ziemlich sicher, daß es sich bei dem Anrufer um einen Afroamerikaner männlichen Geschlechts gehandelt hat.«
Er sah mich mit einem freudlosen Lächeln an. »Und da haben Sie sich gedacht, welche Afroamerikaner männlichen Geschlechts kenne ich? Louis Durham. Schließlich sind wir schwarzen Männer alle gleich: Tief in unserem Innersten sind wir Tiere, nicht wahr?« Ich wich seinem Blick nicht aus. »Nein, ich habe mir gedacht, wer hat sich heimlich mit dem europäischen Boß der Versicherungsgesellschaft getroffen, die die Unterlagen über Aaron Sommers hat? Und ich hab' mir gedacht: Ich kann mir nicht vorstellen, was diese beiden Männer einander zu bieten haben - das
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