Ihr wahrer Name
ließ mir das Blut in den Adern gefrieren: Max und Lotty, beweist doch Herz. Bereitet den Überlebenden nicht noch mehr Schmerz! Ich rannte um das Gebäude herum zum Lieferanteneingang, wo ich einem Mann vom Sicherheitsdienst meinen Privatdetektivausweis so schnell unter die Nase hielt, daß er nicht sehen konnte, ob es sich um eine Polizeimarke oder um eine Kreditkarte handelte. Als er das merkte, war ich schon in dem Labyrinth aus Fluren und Treppenhäusern verschwunden, die die Sicherung eines jeden Krankenhauses zum Alptraum machten.
Obwohl ich versuchte, die Orientierung nicht zu verlieren, landete ich in der Röntgenabteilung, in der Onkologie und im Archiv, bevor ich den Eingangsbereich fand. Ich hörte die Rufe der Gruppe draußen, konnte aber nichts sehen. Das Beth Israel ist ein altes Backsteingebäude, in dem die Fenster so hoch angebracht sind, daß man nicht hinausschauen kann. Wachleuten des Krankenhauses, die völlig unvorbereitet waren auf ein solches Chaos, gelang es nur zum Teil, die Schaulustigen am Blockieren des Haupteingangs zu hindern. Auf der einen Seite schluchzte eine ältere Frau, sie sei gerade ambulant operiert worden und brauche ein Taxi nach Hause, während eine andere mit einem Neugeborenen besorgt nach ihrem Mann Ausschau hielt.
Ich beobachtete das Ganze einen kurzen Augenblick entsetzt und wies dann die Wachleute an, die Menschen von der Tür fernzuhalten. »Sagen Sie ihnen, jeder, der den Eingang blockiert, macht sich strafbar. Und schicken Sie einen Notruf an die Taxizentrale, damit die ein paar Wagen zum Hinterausgang beordert.«
Ich wartete, bis der verblüffte Wachmann begann, Anweisungen in sein Funkgerät zu sprechen, bevor ich den Flur hinunter zum Büro von Max marschierte. Cynthia Dowling, die Sekretärin von Max, unterbrach ein hitziges Telefonat, als sie mich sah.
»Cynthia, warum holt Max nicht die Polizei, damit die die Neandertaler da draußen festnimmt?« Sie schüttelte den Kopf. »Die Krankenhausleitung hat Angst, wichtige Geldgeber zu brüskieren. Das Beth Israel ist eine der großen jüdischen Wohltätigkeitseinrichtungen der Stadt. Die meisten Anrufer, die sich hier gemeldet haben, seit Posner in den Nachrichten ist, sind Ihrer Meinung, aber die alte Mrs. Feistein gehört zu Posners Anhängern. Wissen Sie, sie hat den Krieg in einem Versteck in Moldawien überlebt, und als sie hierhergekommen ist, hat sie ein Vermögen mit Kaugummi gemacht. In letzter Zeit hat sie sich sehr dafür eingesetzt, daß Schweizer Banken die Vermögen von Holocaust-Opfern freigeben. Außerdem hat sie uns zwanzig Millionen Dollar für unseren neuen Onkologie-Flügel versprochen.«
»Und wenn sie sieht, daß Posner mit der grünen Minna abtransportiert wird, zieht sie das Versprechen zurück? Aber wenn jemand an einem Herzinfarkt stirbt, weil er nicht hier reinkommt, können Sie sich auf einen Prozeß gefaßt machen, bei dem's um weit höhere Summen ginge als diese.«
»Das muß Max entscheiden. Und die Krankenhausleitung. Natürlich ist man sich darüber im klaren, wie prekär die Situation ist.« Nun blinkte ihre Telefonanlage; sie drückte auf einen Knopf. »Büro Mr. Loewenthal... nein, ich weiß, daß Sie bis halb zwei fertig sein müssen. Ich gebe Ihre Nachricht an Mr. Loewenthal weiter, sobald er wieder verfügbar ist... ja, mir war's lieber, wir müßten hier keine Menschenleben retten; dann könnten wir leichter alles liegen- und stehenlassen, um irgendwelche Medientermine einzuhalten. Büro Mr. Loewenthal, einen Augenblick, bitte... Büro Mr. Loewenthal, einen Augenblick bitte.« Dann sah sie mich beunruhigt an, die Hand über dem Mundstück des Hörers. »Hier geht alles drunter und drüber. Die blöde Studentin, die sie mir von der Arbeitsvermittlung geschickt haben, ist schon vor einer Stunde in die Mittagspause verschwunden. Wahrscheinlich steht sie jetzt draußen und sieht sich das Spektakel von dort aus an. Obwohl ich die Direktionssekretärin bin, bekomme ich einfach keine weitere Kraft.«
»Okay, okay, ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Aber ich hätte ein paar Fragen an Posner. Sagen Sie Max bitte, falls Sie ihn sehen sollten, daß ich das Krankenhaus nicht in die Sache verwickeln werde.« Im Eingangsbereich kämpfte ich mich durch die Menschenmenge, die erneut gegen die Drehtür drückte. Sobald ich draußen war, sah ich den Grund für ihren Eifer: Die Demonstranten hatten aufgehört zu marschieren und drängten sich hinter Joseph Posner, der eine kleine Frau im
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