Ihr wahrer Name
müssen nicht verlegen werden, Devereux. Eine schöne Frau verführt immer dazu, wertvolle Geschäftszeit zu verplaudern. Ich nehme an, Ms. Warshawski ist nicht hierhergekommen, um sich mit uns über die Oper zu unterhalten.«
Ich holte die Fotokopie von Aaron Sommers' Police aus meiner Aktentasche und erklärte die Sache mit der fehlgeschlagenen Beisetzung. »Ich dachte, wenn ich direkt zu dir komme, Ralph, könntest du mir wahrscheinlich ziemlich schnell sagen, was da passiert ist.« Während Ralph die Kopie seiner Sekretärin im Vorzimmer brachte, fragte ich Rossy, ob er tags zuvor an der Birnbaum-Konferenz teilgenommen habe. »Freunde von mir waren dabei. Es würde mich interessieren, ob die Edelweiß sich wegen des Holocaust Asset Recovery Act Sorgen macht.« Rossy legte die Fingerspitzen aneinander. »Unsere Position entspricht der in der Branche üblichen: Egal, wie groß der Kummer sowohl der jüdischen als auch der afroamerikanischen Gemeinde gewesen sein mag, die Kosten für Policenrecherchen wären für alle Policen-Inhaber ausgesprochen hoch. Hinsichtlich unseres eigenen Unternehmens machen wir uns keine Gedanken. Die Edelweiß war während des Krieges lediglich ein kleiner Regionalversicherer, weshalb die Wahrscheinlichkeit, daß wir es mit vielen jüdischen Anspruchstellern zu tun haben könnten, äußerst gering ist.
Allerdings habe ich gerade erfahren, daß in den fünfzehn Anfangsjahren der Ajax hier in Amerika noch immer Sklaverei herrschte. Ich habe Ralph vorgeschlagen, Ms. Blount, die Dame, die unsere kleine Firmengeschichte verfaßt hat, zu bitten, daß sie Einsicht in die Archive nimmt, damit wir wissen, wer in jenen frühen Tagen unsere Kunden waren. Vorausgesetzt natürlich, sie hat nicht ohnehin schon beschlossen, unser Archivmaterial an diesen Alderman Durham zu schicken. Wie teuer es doch ist, einen Blick zurück in die Vergangenheit zu werfen. Wie wahnsinnig teuer.« »Ihre Firmengeschichte? Ach so, die Broschüre mit dem Titel >Hundertfünfzig Jahre Lebern. Die habe ich schon; allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, sie zu lesen. Sind darin auch die Jahre vor der Freilassung der Sklaven erfaßt? Glauben Sie wirklich, daß Ms. Blount Ihr Archivmaterial einem Außenstehenden zuspielen würde?«
»Ist das der wahre Grund Ihres Herkommens? Ralph sagt, Sie sind Detektivin. Verhalten Sie sich gerade ungeheuer schlau und Humphrey-Bogart-artig und tun so, als ginge es Ihnen um die Ansprüche der Familie Sommers, obwohl Sie sich eigentlich für solche aus der Zeit des Holocaust und der Sklaverei interessieren? Ich hatte mir gleich gedacht, daß diese kleine Police viel zu unwichtig ist, als daß man sich deshalb an den Leiter der Leistungsabteilung wenden müßte.« Er lächelte mich breit an. Nun konnte ich das, was er gesagt hatte, als Scherz betrachten -wenn ich wollte.
»Ich könnte mir vorstellen, daß man sich in der Schweiz genau wie hier an Leute wendet, die man kennt«, sagte ich. »Ralph und ich haben vor ein paar Jahren zusammengearbeitet, bevor er in so luftige Höhen aufgestiegen ist, und jetzt nutze ich unsere Bekanntschaft, um vielleicht eine schnelle Auskunft für meinen Klienten zu erhalten.«
»In luftige Höhen?« Ralph war mittlerweile wieder hereingekommen. »Vic hat die deprimierende Angewohnheit, sich in Sachen Wirtschaftskriminalität selten zu täuschen. Da ist es einfacher, ihr von Anfang an zu helfen, statt sich ihr in den Weg zu stellen.«
»Und welches Verbrechen ist mit dieser Sommers-Police verbunden? In welcher Hinsicht haben Sie heute recht?« fragte Rossy.
»Bis jetzt noch in keiner, aber ich habe auch noch keine Zeit gehabt, mit einem Medium zu konferieren.«
»Mit einem Medium?« Er sah mich fragend an.
»Indovina«, sagte ich grinsend. »Von denen gibt's jede Menge in der Gegend, in der ich mein Büro habe.«
»Ach so, ein solches Medium«, sagte Rossy.
Als ich etwas erwidern wollte, trat Ralphs Sekretärin zusammen mit einer jungen Frau ein, die eine dicke Aktenmappe gegen die Brust preßte. Sie trug eine khakifarbene Jeans und einen Pullover, der vom vielen Waschen eingegangen war.
»Das ist Connie Ingram, Mr. Devereux«, sagte die Sekretärin. »Sie hat die Informationen, die Sie benötigen.«
Ralph stellte Ms. Ingram weder Rossy noch mich vor. Sie blinzelte ein wenig unglücklich, zeigte Ralph aber die Mappe mit den Akten.
»Das hier sind alle Dokumente zu L-146938-72. Es tut mir leid, daß ich in Jeans hier raufkomme, aber meine
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