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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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noch genügend baufällige Häuser und Betrunkene. Ich war gegen eine weitere Sanierung, weil ich nicht wollte, daß meine Miete nach Ablauf unseres Vertrags in astronomische Höhen stieg. Tessas Pick-up stand bereits auf unserem kleinen Parkplatz, als ich meinen eigenen Wagen hineinlenkte. Sie hatte im vorigen Monat einen großen Auftrag bekommen und arbeitete nun fast Tag und Nacht, um ein Modell sowohl von ihrer Skulptur als auch von der Plaza, für die sie gedacht war, zu fertigen. Als ich an ihrem Atelier vorbeikam, saß sie an ihrem riesigen Tisch und machte Entwürfe. Sie mag es nicht, wenn man sie bei der Arbeit stört, und so ging ich den Flur zu meinem Büro hinunter, ohne etwas zu ihr zu sagen. Ich machte mehrere Kopien der Police von Isaiah Sommers'
    Onkel und legte das Original in meinen Bürosafe, wo ich alle Dokumente von Klienten während laufender Nachforschungen aufbewahre. Eigentlich handelt es sich dabei eher um einen Tresorraum mit feuersicheren Wänden und einer massiven Tür.
    Die Adresse der Midway Insurance Agency, die Aaron Sommers die Versicherung vor all den Jahren verkauft hatte, stand auf dem Dokument. Wenn das Geld nicht von der Gesellschaft zu holen war, mußte ich mich an den Agenten wenden. Ich hoffte nur, daß er sich so weit zurückerinnerte. Ich sah im Telefonbuch nach. Die Agentur befand sich noch immer in der Fifty-third Street, im Hyde-Park-Viertel.
    Ich mußte noch zwei Routine-Erkundigungen einziehen. Während ich darauf wartete, mit der richtigen Stelle im Gesundheitsamt verbunden zu werden, loggte ich mich bei Lexis und ProQuest ein und forderte Informationen über Rhea Wiell und Paul Radbuka an. Die Sachbearbeiterin im Gesundheitsamt meldete sich und beantwortete ausnahmsweise alle meine Fragen ohne große Umschweife. Nachdem ich die Auskunft in meinen Bericht eingetragen hatte, wandte ich mich wieder Lexis zu. Dort war nichts über Paul Radbuka bekannt. Ich überprüfte meine CD-Roms mit amerikanischen Telefonnummern und Adressen, die um etliches aktueller sind als die Informationen der Suchmaschinen im Internet, und fand nichts. Als ich Ulf, den Namen seines Vaters, eingab, erhielt ich siebenundvierzig Einträge in Chicago und Umgebung. Vielleicht hatte Paul seinen Namen nicht offiziell ändern lassen, als er zu Paul Radbuka geworden war.
    Bei Rhea Wiell hingegen wurde ich mehr als einmal fündig. Offenbar war sie bei einer Reihe von Gerichtsverfahren als Sachverständige aufgetreten, doch herauszufinden, bei welchen, so daß ich mir die Protokolle besorgen konnte, wäre eine mühsame Angelegenheit. Allerdings erfuhr ich, daß sie Sozialarbeiterin mit Zulassung des Staates Illinois war: Angefangen hatte sie also zumindest ganz legal. Ich loggte mich aus und steckte die Papiere in meine Aktentasche, um zu meinem Treffen mit dem Leiter der Leistungsabteilung von der Ajax zu fahren.

6
    Ansprüche
    Ich hatte Ralph Devereux in meiner Anfangszeit als Privatdetektivin kennengelernt. So viele Jahre war das noch nicht her, aber damals hatte ich als erste Frau in Chicago, vielleicht sogar im ganzen Land, eine Detektivlizenz bekommen und aller größte Mühe gehabt, Klienten und auch Zeugen dazu zu bringen, daß sie mich ernst nahmen. Als Ralph in die Schulter geschossen wurde, weil er einfach nicht glauben wollte, daß sein Boß ein Gauner war, zerbrach unsere Beziehung genauso abrupt wie sein Schulterblatt.
    Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen; ich muß zugeben, daß ich ein bißchen nervös war, als ich mit der Hochbahn zum Hauptquartier der Ajax in der Adams Street fuhr. Nachdem ich im zweiundsechzigsten Stock aus dem Aufzug gestiegen war, ging ich sogar noch kurz in die Damentoilette, um mich zu vergewissern, daß meine Haare ordentlich frisiert waren und mein Lippenstift nicht schmierte.
    Die Empfangsdame der Chefetage führte mich über endlos langes Parkett bis zu der Ecke, in der sich Ralphs Büro befand, und seine Sekretärin wiederholte meinen Namen, ohne einen Fehler zu machen, bevor sie ihm mitteilte, daß ich da sei. Ralph kam lächelnd, beide Arme zur Begrüßung ausgestreckt, auf mich zu.
    Ich nahm seine Hände, ebenfalls lächelnd, in meine und versuchte dabei, mir meinen Anflug von Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    Als ich ihn kennengelernt hatte, war Ralph ein leidenschaftlicher junger Mann mit schmalen Hüften, dichtem schwarzem Haar und einnehmendem Grinsen gewesen. Sein Haar war immer noch dicht, wenn auch von grauen Strähnen durchzogen, aber

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