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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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guter Schachzug, die beiden so kurzfristig zusammenzuspannen.«
    Sie grinste. »Tja, meine Agentin hat's auch gefreut - meine Vertragsverlängerung steht in sechs Wochen an. Die Wiell ist ein rotes Tuch für Praeger. Sie haben sich schon wegen einer ganzen Reihe von Fällen in die Haare gekriegt, nicht nur hier in Chicago, sondern im ganzen Land. Er hält sie für den leibhaftigen Teufel, und in ihren Augen ist er fast so schlimm wie ein Kinderschänder. Sie haben beide schon mehrere Auftritte im Fernsehen hinter sich - vor der Kamera wirken sie zivilisiert, aber du hättest sie mal erleben sollen, als wir nicht auf Sendung waren.« »Wie findest du Radbuka?« fragte ich. »Glaubst du persönlich seine Geschichte?« »Hast du Beweise, daß er ein Betrüger ist? Bist du deswegen hier?« Ich stöhnte. »Ich weiß nicht das geringste über ihn. Nichts. Zippo. Niente. Nada. Mehr Sprachen fallen mir nicht mehr ein. Wie schätzt du ihn ein?« Sie sah mich mit großen Augen an. »Ach, Vic, ich hab' ihm seine Geschichte von Anfang bis Ende geglaubt. Das war eins der erschütterndsten Interviews, die ich je gemacht habe - und du weißt, daß ich damals auch mit den Lockerbie-Opfern gesprochen habe. Kannst du dir vorstellen, so aufzuwachsen wie er und dann herauszufinden, daß der Mann, der sich als dein Vater ausgegeben hat, eigentlich dein schlimmster Feind ist?«
    »Weißt du den Namen seines Vaters... ich meine seines Ziehvaters?«
    Sie sah in ihrem Computer nach. »Ulf. Paul hat mir gegenüber immer nur den deutschen Namen des Mannes benutzt und nie >Papa< oder >Vater< oder was Ähnliches gesagt.«
    »Hast du 'ne Ahnung, wie die Papiere aussehen, die dazu geführt haben, daß er sich wieder an seine verlorene Identität erinnert hat? In dem Interview hat er behauptet, sie wären kodiert.«
    Sie schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden. »Er hat gesagt, er hätte sie mit Rhea durchgearbeitet und so die richtige Interpretation erhalten. Seiner Meinung nach beweisen sie, daß Ulf ein Nazi-Kollaborateur war. Er hat viel davon erzählt, wie brutal Ulf zu ihm gewesen ist, daß er ihn geschlagen hat, weil er zu weich war, ihn in einen Wandschrank gesperrt hat, während er selbst in der Arbeit war, ihn ohne Essen ins Bett geschickt hat.«
    »Und eine Frau gab's nicht? Oder hat die bei den Mißhandlungen mitgemacht?« fragte ich.
    »Paul sagt, Ulf habe ihm gegenüber behauptet, daß seine Mutter - Mrs. Ulf, wie auch immer -gegen Kriegsende während der Bombardierung von Wien umgekommen ist. Ich glaube nicht, daß Mr. Ulf jemals wieder geheiratet hat oder daß irgendwelche Frauen ins Haus kamen. Ulf und Paul scheinen richtige Einsiedler gewesen zu sein. Papa ist in die Arbeit gegangen, und wenn er wieder daheim war, hat er Paul geschlagen. Eigentlich hätte Paul Arzt werden sollen, aber er hat dem Druck nicht standgehalten, also ist er Röntgentechniker geworden, und da hat Ulf ihn natürlich noch weniger ernst genommen. Er ist nie aus dem Haus seines Vaters ausgezogen. Findest du das nicht auch unheimlich? Daß er sogar dann noch bei ihm geblieben ist, als er erwachsen war und selbst seinen Lebensunterhalt verdienen konnte?«
    Mehr konnte oder wollte sie mir nicht sagen. Sie versprach, mir später am Tag das Video mit dem Radbuka-Interview und der Auseinandersetzung zwischen den beiden Therapeuten ins Büro zu schicken.
    Vor meinem Treffen mit Ralph bei der Ajax hatte ich noch Zeit, ein paar Dinge in meinem Büro zu erledigen. Es befand sich nur ein paar Kilometer nordwestlich des Global-Wolken-kratzers, aber doch in einer völlig anderen Welt. Drei Jahre zuvor hatte mich eine Bildhauer-Freundin gefragt, ob ich zusammen mit ihr in einen Sieben-Jahres-Vertrag für ein umgebautes Lagerhaus in der Leavitt Street eintreten wolle. Da das Gebäude lediglich fünfzehn Autominuten vom Finanzzentrum entfernt ist, wo die meisten meiner Geschäftspartner ihr Büro haben, und die Miete nur halb so hoch ist wie in den hübschen glänzenden Wolkenkratzern, hatte ich sofort unterschrieben. Bei unserem Einzug war die Gegend noch ein verdrecktes Niemandsland zwischen dem Latino-Viertel im Westen und einem schnieken Yuppie-Areal näher am Lake gewesen. Seinerzeit stritten sich Bodegas und Handleser mit Musikläden um die wenigen Geschäftsstandorte in jenem früheren Gewerbegebiet, und Parkplätze gab es in Hülle und Fülle. Obwohl inzwischen auch die Yuppies kommen und Espresso-Bars und Boutiquen eröffnen, haben wir immer

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