Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
jetzt hatte er Hängebacken, und obwohl man ihn nicht dick nennen konnte, gehörten seine schmalen Hüften derselben Vergangenheit an wie unsere kurze Affäre.
    Ich tauschte ein paar Begrüßungsfloskeln mit ihm aus und gratulierte ihm zu seiner Beförderung zum Leiter der Leistungsabteilung. »Soweit ich sehe, kannst du den Arm wieder bewegen wie früher«, sagte ich schließlich.
    »Nicht ganz. Ich hab' immer noch Probleme damit, wenn das Wetter feucht ist. Nach der Verletzung damals habe ich Wahnsinnsdepressionen gekriegt - weil es so lange gedauert hat, bis ich wieder auf dem Damm war, weil ich überhaupt so dumm war, das mit mir geschehen zu lassen - und meine Liebe zu Cheeseburgern entdeckt. Und die Riesenveränderungen hier in den letzten Jahren waren auch nicht sonderlich hilfreich. Aber du siehst großartig aus. Läufst du immer noch jeden Morgen acht Kilometer? Vielleicht sollte ich dich als Coach anheuern.«
    Ich lachte. »Du bist doch schon in deiner ersten Konferenz, wenn ich noch schlafe. Du müßtest dir einen weniger stressigen Job suchen. Die Veränderungen, von denen du gesprochen hast... hatten die mit der Übernahme der Ajax durch die Edelweiß zu tun?«
    »Ach, die kam erst ganz am Ende. Zur selben Zeit, als wir durch die Folgen des Hurrikans Andrew gebeutelt wurden, hatten wir auch noch jede Menge andere Probleme mit dem Markt. Und während wir uns damit auseinandersetzen und weltweit ein Fünftel unserer Beschäftigten entlassen mußten, hat die Edelweiß sich einen ordentlichen Happen von unseren Aktien geschnappt, die inzwischen im Keller gelandet waren. Es war eine feindliche Übernahme - das hast du ja sicher in der Zeitung mitverfolgt -, aber jetzt klappt die Zusammenarbeit wunderbar. Die Leute von der Edelweiß scheinen sich sehr dafür zu interessieren, wie wir die Dinge hier anpacken, und mischen sich nicht allzusehr ein. Der leitende Direktor aus Zürich, der sich um die Ajax kümmert, wollte sogar bei meinem Treffen mit dir dabeisein.«
    Er schob mich in sein Büro, wo sich bei meinem Eintreten ein Mann mit Hornbrille, einem Anzug aus hellem Wollstoff und einer grellen Krawatte erhob. Er war etwa vierzig und hatte ein rundes, fröhliches Gesicht, das besser zu seiner Krawatte als zu seinem Anzug zu passen schien. »Vic Warshawski, Bertrand Rossy von der Edelweiß Rück in Zürich. Sie sollten sich eigentlich gut verstehen - Vic spricht Italienisch.«
    »Ach wirklich?« Rossy gab mir die Hand. »Bei dem Namen Warshawski hätte ich eher auf Polnisch getippt.«
    »Meine Mutter stammte aus Pitigliano - vicino Orvieto«, sagte ich. »Auf polnisch kann ich nur ein paar Floskeln.«
    Rossy und ich setzten uns auf Chromstühle neben einem Tisch mit Glasoberfläche. Ralph selbst, der immer schon eine Vorliebe für moderne Möbel gehabt hatte, lehnte sich an die Kante seines Aluminiumschreibtischs.
    Ich fragte Rossy die üblichen Dinge, zum Beispiel woher er sein perfektes Englisch hatte (er war in England zur Schule gegangen) und wie ihm Chicago gefiel (sehr). Seiner Frau, einer Italienerin, war das Sommerwetter zu schwül gewesen, und so hatte sie sich zusammen mit ihren zwei Kindern auf den Weg zum Familienanwesen in den Hügeln über Bologna gemacht.
    »Sie ist erst diese Woche mit Paolo und Marguerita zurückgekommen, weil die Schule beginnt, und schon bin ich wieder besser gekleidet als den ganzen Sommer, nicht wahr, Devereux? Heute morgen hätte sie mich fast nicht mit dieser Krawatte aus dem Haus gelassen.« Er lachte laut; dabei erschienen Grübchen in seinen Mundwinkeln. »Und im Augenblick bin ich gerade dabei, sie zu einem Besuch der Chicagoer Oper zu überreden. Ihre Familie hat seit der Eröffnung der Mailänder Scala 1778 dieselbe Loge, deshalb kann sie sich nicht vorstellen, daß eine so junge Stadt wie diese in puncto Oper wirklich etwas zu bieten hat.«
    Ich erzählte ihm, daß ich mir zum Andenken meiner Mutter einmal pro Jahr eine Inszenierung ansah, denn sie war jeden Herbst mit mir in die Oper gegangen, aber natürlich konnte ich das nicht mit europäischen Standards vergleichen. »Und außerdem habe ich keine Familienloge. Ich gehe immer in den oberen Rang, in den Olymp.«
    Er lachte wieder. »So, so, in den Olymp. Schon wieder was dazugelernt. Wir sollten einmal alle zusammen einen Abend in der Oper verbringen - vorausgesetzt, ich kann Sie dazu bewegen, vom Olymp herabzusteigen. Aber ich sehe gerade, daß Devereux auf die Uhr sieht. Nein, es war wirklich ganz diskret, Sie

Weitere Kostenlose Bücher