Ihr wahrer Name
war nicht immer ein Kompliment. Genau das war Teil des Problems: Sie hat die Angestellten in Rhea-Bewunderer und Rhea-Zweifler gespalten. Außerdem hat sie keinerlei Fragen über ihre Schlußfolgerungen geduldet. Zum Beispiel in dem einen Fall, wo sie einen früheren Staatsanwalt, der für ein Bundesrichteramt vorgesehen war, des Kindesmißbrauchs bezichtigt hat. Rhea hat uns vor ihrer Aussage keinen Einblick in ihre Notizen zu dem Fall gewährt. Wenn die Sache schiefgegangen wäre, hätten wir uns möglicherweise mit einer ganzen Reihe von Schadenersatzklagen auseinandersetzen müssen.« Ich ging meine Ausdrucke durch. »War die Tochter, die die Anklage gegen den Mann ins Rollen gebracht hat, nicht eine Privatpatientin von Rhea Wiell?«
»Ja, aber Rhea war immer noch beim Staat angestellt, und so hätte der Mann vorbringen können, daß sie staatliche Büros oder andere Einrichtungen, vielleicht sogar bloß den Fotokopierer bei uns verwendet hat - so etwas hätte eine Klage gegen uns zur Folge gehabt. So etwas konnten wir uns nicht leisten. Da mußten wir ihren Vertrag kündigen. Ich bin sehr offen zu Ihnen gewesen. Erzählen Sie mir jetzt, was Rhea verbrochen hat, daß eine Privatdetektivin sich für sie interessiert.«
Ich hatte gewußt, daß ich ihr meinerseits etwas verraten mußte. Nur so bekommt man weiterhin Informationen von den Leuten. »Einer ihrer Patienten war diese Woche in den Nachrichten. Vielleicht haben Sie die Sendung mit dem Mann, der sich wieder an die Zeit des Holocaust erinnert, ja gesehen. Jemand will ein Buch über ihn und Rheas Arbeit schreiben. Er hat mich gebeten, die Hintergründe für ihn zu recherchieren.«
»Tja, eins hat Rhea schon immer besser gekonnt als alle anderen Therapeuten, die je für uns gearbeitet haben: Sie weiß genau, wie man die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zieht.« Damit legte sie auf.
9
Die Prinzessin von Österreich
»Sie ist also zugelassene Therapeutin. Umstritten, aber zugelassen«, sagte ich zu Don, der gerade wieder eine Zigarette rauchte. »Wenn du dich tatsächlich zu einem Buch über sie entschließt, hast du es immerhin nicht mit einer Betrügerin zu tun.«
»Die Leute in New York sind so begeistert von der Idee, daß ich schon einen Termin mit der Frau ausgemacht habe. Morgen um elf. Wenn du nichts Besseres vorhast - möchtest du mitkommen? Vielleicht kriegst du dann ein paar Informationen, die dazu beitragen, Dr. Herschels Bedenken zu zerstreuen.«
»Unter den gegebenen Umständen kann ich mir nicht vorstellen, daß das der Fall sein wird. Aber ich würde Rhea Wiell trotzdem gern persönlich kennenlernen.«
Wir saßen auf Morrells Veranda hinter dem Haus. Es war schon fast zehn, und Morrell hatte das Treffen mit den Vertretern vom Außenministerium in der Innenstadt immer noch nicht abgeschlossen. Ich hatte das ungute Gefühl, daß sie ihn zu Spionagetätigkeiten während seines Aufenthalts in Kabul überreden wollten. Ich trug einen alten Pullover von Morrell, der mich ein bißchen tröstete - fast wie Mitch und Peppy, die gern mit meinen alten Socken spielen, wenn ich nicht da bin. Lotty hatte für ein so unerfreuliches Ende des Tages gesorgt, daß ich diesen Trost gut gebrauchen konnte.
Seit ich mich am Morgen mit einem Kuß von Morrell verabschiedet hatte, war ich den ganzen Tag nur unterwegs gewesen. Obwohl noch ein paar dringende Dinge zu erledigen gewesen wären, war ich einfach zu müde, um noch irgend etwas zu tun. Bevor ich die Ergebnisse meiner Nachforschungen diktierte, Isaiah Sommers anrief, mit den Hunden spazierenging und mit einem Vertrag für Don Strzepek wegen meiner Recherchen über Rhea Wiell zu Morrell zurückfuhr, hatte ich einfach ein bißchen Ruhe nötig. Ein halbes Stündchen auf dem Feldbett im Hinterzimmer meines Büros, hatte ich am Nachmittag gedacht. Eine halbe Stunde, dann wäre ich wieder fit genug, um eine ganze Tagesarbeit in den Abend zu pressen. Fast eine dreiviertel Stunde später wurde ich von meinem Klienten geweckt. »Wieso sind Sie zu meiner Tante gefahren und haben sie mit Anschuldigungen belästigt?« fragte er mich, als ich den Hörer von der Gabel nahm. »Haben Sie denn gar keinen Respekt vor der Trauer dieser Frau?«
»Was für Anschuldigungen?« Mein Mund und meine Augen fühlten sich an, als wären sie mit Watte ausgestopft.
»Sie sind zu ihr gefahren und haben behauptet, sie hätte der Versicherung Geld gestohlen.« Wenn ich nicht mehr so verschlafen gewesen wäre, hätte ich
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