Ihr wahrer Name
vielleicht ein bißchen beherrschter reagiert. Nun, vielleicht auch nicht.
»Ich habe wirklich Verständnis für die Trauer Ihrer Tante, aber das habe ich nicht gesagt. Und bevor Sie mir so etwas unterstellen, sollten Sie mich lieber fragen, was ich wirklich gesagt habe.« »Na schön, dann frage ich Sie eben.« In seiner Stimme schwang kaum verhohlener Zorn mit. »Ich habe Ihrer Tante den Scheck gezeigt, den die Gesellschaft nach Vorlage der Sterbeurkunde vor neun Jahren ausgestellt hat. Ich habe sie gefragt, was sie darüber weiß. Das ist keine Anschuldigung. Der Scheck wurde der Midway Insurance Agency übergeben. Ich konnte schlecht übersehen, daß ihr Name auf dem Scheck stand. Und ich konnte auch nicht so tun, als hätte die Ajax ihn nicht aufgrund der Sterbeurkunde ausgestellt. Ich mußte ihr Fragen darüber stellen.« »Sie hätten zuerst mit mir reden sollen. Schließlich bezahle ich Sie.«
»Ich kann meine Klienten nicht über jeden Schritt meiner Nachforschungen informieren. So würde ich meine Arbeit nie schaffen.«
»Sie haben mein Geld genommen und es dazu verwendet, meine Tante zu beschuldigen. In dem Vertrag steht, daß ich jederzeit davon zurücktreten kann. Das tue ich hiermit.« »Auch gut«, herrschte ich ihn an. »Aber jemand hat mit Hilfe der Versicherung Ihres Onkels einen Betrug durchgezogen. Wenn Sie wollen, daß der Verantwortliche ungeschoren davonkommt, soll's mir recht sein.«
»Natürlich will ich das nicht, aber ich werde der Sache auf meine eigene Weise auf den Grund gehen, auf eine Weise, die meine Tante nicht in solche Situationen bringt. Ich hätte wissen müssen, daß eine weiße Detektivin auch nicht anders ist als die Leute von der Polizei. Ich hätte auf meine Frau hören sollen.« Dann legte er auf.
Es war nicht das erste Mal, daß mich ein erzürnter Klient feuerte, aber ich habe immer noch nicht gelernt, das gleichmütig hinzunehmen. Ich hätte die Sache anders anpacken können, ihn anrufen sollen, bevor ich zu seiner Tante fuhr, ihn vom Sinn meines Vorhabens überzeugen. Zumindest hätte ich mich bei ihm melden sollen, bevor ich mich zu einem Nickerchen hinlegte. Dann hätte ich meinen Jähzorn besser im Griff gehabt - meine schlimmste Untugend.
Ich versuchte, mich an den genauen Wortlaut dessen zu erinnern, was ich zu seiner Tante gesagt hatte. Verdammt, ich sollte wirklich Mary Louises Rat befolgen und meine Notizen sofort nach jedem Termin diktieren. Aber besser spät als nie, dachte ich mir: Ich konnte gleich mit dem letzten Telefongespräch anfangen. Also wählte ich die Nummer des Textverarbeitungsdienstes, mit dem ich zusammenarbeite, und diktierte eine Zusammenfassung des Telefonats sowie einen Brief an Sommers, in dem ich bestätigte, daß er den Vertrag mit mir gekündigt hatte. Die Police seines Onkels würde ich dem Brief beilegen. Als ich die Sache mit Isaiah Sommers abgeschlossen hatte, diktierte ich die Notizen zu den anderen Gesprächen des Tages in umgekehrter Reihenfolge, von dem mit der Frau vom Familienministerium bis zu meinem Termin mit Ralph bei der Ajax. Lotty rief auf der anderen Leitung an, als ich gerade dabei war, meine Unterhaltung mit dem Versicherungsagenten Howard Fepple zu rekonstruieren. »Max hat mir von der Sendung erzählt, die er gestern abend zusammen mit dir bei Morrell gesehen hat«, sagte sie ohne Einleitung. »Das klang ziemlich beunruhigend.« »War es auch.«
»Er wußte nicht so recht, ob er der Geschichte des Mannes glauben soll oder nicht. Hat Morrell das Interview aufgenommen?«
»Nicht, daß ich wüßte. Aber ich habe heute eine Kopie von dem Tape bekommen, die kann ich...«
»Die will ich sehen. Würdest du sie bitte heute abend zu mir in die Wohnung bringen?« Das klang eher wie ein Befehl, nicht so sehr wie eine Bitte.
»Lotty, wir sind hier nicht im OP. Ich habe heute abend keine Zeit, um bei dir vorbeizuschauen, aber morgen früh... «
»Es handelt sich da um einen sehr kleinen Gefallen, Viktoria, der nicht das geringste mit dem OP zu tun hat. Du brauchst mir das Band nicht dazulassen, aber ich will es sehen. Du kannst dabeisein, während ich es mir anschaue.«
»Lotty, die Zeit habe ich nicht. Ich lasse morgen Kopien davon machen, dann kannst du eine ganz für dich haben. Aber die, die ich jetzt hier habe, ist für einen Klienten, für den ich Nachforschungen anstellen soll.«
»Für einen Klienten?« Sie war außer sich vor Zorn. »Hat Max dich angeheuert, ohne daß ihr mir etwas davon erzählt
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