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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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habt?«
    Mein Kopf fühlte sich an wie in einem Schraubstock. »Wenn ja, geht das nur ihn und mich etwas an, nicht dich und mich. Wieso interessiert dich das überhaupt?«
    »Wieso? Weil das ein Vertrauensbruch wäre, deswegen. Als er mir von dem Mann auf der Konferenz erzählt hat, der sich Radbuka nennt, habe ich ihm gesagt, wir sollten nichts übereilen. Ich würde ihm mitteilen, was ich davon halte, sobald ich das Interview gesehen hätte.« Ich atmete tief durch und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. »Dann sagt dir der Name Radbuka also etwas.«
    »Und Max und Carl auch. Aus unserer Zeit in London. Max war der Meinung, wir sollten dich anheuern, um mehr über diesen Mann herauszufinden. Ich wollte abwarten. Ich dachte, Max respektiert meine Entscheidung.«
    Sie war fuchsteufelswild, aber ihre Erklärung brachte mich dazu, in ruhigem Tonfall zu sagen: »Reg dich nicht auf, Lotty. Max hat mich nicht angeheuert. Hier geht's um etwas völlig anderes.« Ich erzählte ihr von Don Strzepeks Buchvorhaben über Rhea Wiell und Paul Radbukas wiedererlangte Erinnerung. »Er hat sicher nichts dagegen, dich das Tape anschauen zu lassen, aber ich habe heute abend wirklich keine Zeit. Ich muß hier noch etliches erledigen, dann zu mir fahren, mich um die Hunde kümmern und hinterher nach Evanston. Soll ich Morrell sagen, daß du zu ihm kommst, um dir das Band anzusehen?«
    »Ich will, daß die Toten der Vergangenheit ruhen«, platzte es aus ihr heraus. »Wieso läßt du diesen Don darin herumwühlen?«
    »Ich lasse ihn nicht, aber ich hindere ihn auch nicht daran. Ich möchte lediglich herausfinden, ob Rhea Wiell eine seriöse Therapeutin ist.« »Dann läßt du ihn also doch.«
    Sie klang, als sei sie den Tränen nahe. Ich wählte meine Worte sorgfältig. »Wahrscheinlich ist es sehr schmerzhaft für dich, an die Kriegszeit erinnert zu werden, aber das geht nicht jedem so.« »Ja, für viele Leute ist es ein Spiel, Romantik, Kitsch, Nervenkitzel. Und ein Buch über einen Geist, der sich am Andenken der Toten schadlos hält, fördert eine solche Einstellung nur.« »Wenn Paul Radbuka kein Geist ist, sondern tatsächlich eine Vergangenheit im Konzentrationslager hat, dann hat er auch das Recht, Anspruch auf sein Erbe zu erheben. Was sagt die Person in eurer Gruppe, die in Verbindung zu den Radbukas stand, zu dieser Angelegenheit? Hast du dich mit ihm oder ihr unterhalten?«
    »Diese Person gibt es nicht mehr«, sagte sie rauh. »Das geht nur Max und Carl und mich etwas an. Und jetzt dich. Und dieser Journalist, Don oder wie er heißt, hat auch noch seine Finger mit drin. Und die Therapeutin. Und jede Hyäne in New York und Hollywood, der bei einer solchen neuen Sensationsgeschichte vor Gier der Geifer aus dem Maul läuft. Verleger und Filmstudios machen ein Vermögen damit, daß sie die wohlgenährte europäische und amerikanische Mittelschicht mit Folterstorys versorgen.«
    Ich hatte Lotty noch nie so verbittert gehört. Das tat weh. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte, also wiederholte ich lediglich mein Angebot, ihr am nächsten Tag eine Kopie von dem Tape vorbeizubringen. Doch sie legte auf.
    Ich saß eine ganze Weile an meinem Schreibtisch und versuchte, die Tränen zurückzudrängen. Die Arme taten mir weh. Eigentlich hatte ich keinerlei Kraft mehr, irgend etwas Sinnvolles zu tun, aber schließlich nahm ich doch den Telefonhörer m die Hand und beendete das Diktat meiner Notizen für den Textverarbeitungsservice. Als ich damit fertig war, erhob ich mich langsam wie eine Invalide und druckte eine Kopie meines Vertrags für Don Strzepek aus.
    »Vielleicht hätte ich selbst mit Dr. Herschel reden sollen«, sagte Don jetzt auf Morrells Veranda. »Sie hält mich wahrscheinlich für einen skrupellosen Fernsehreporter, der ihr einfach ein Mikrophon vor die Nase hält, ohne ihre Trauer um ihre Familie zu achten. Irgendwo hat sie auch recht, wenn sie sagt, daß die Amerikaner und Europäer sich gern in ihrem Sessel zurücklehnen und den Nervenkitzel von solchen Horrorgeschichten genießen. Den Gedanken darf ich bei der Arbeit an dem Buch nicht als Korrektiv vergessen. Aber möglicherweise kann ich sie davon überzeugen, daß ich durchaus zu Mitgefühl in der Lage bin.«
    »Möglicherweise. Max hat vermutlich nichts dagegen, wenn ich dich am Sonntag zu der Abendeinladung mitnehme. Da könntest du Lotty in informellem Rahmen kennenlernen.« Obwohl ich mir ein ruhiges Gespräch zwischen den beiden ehrlich gesagt nicht vorstellen

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