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Ihr wahrer Name

Ihr wahrer Name

Titel: Ihr wahrer Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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gehört hatte.
    Als Morrell nach einem Blick auf die Uhr sagte, er werde ihn nach Hause fahren, weigerte Radbuka sich zuerst aufzustehen.
    Max sah ihn streng an. »Sie müssen jetzt gehen, Mr. Radbuka, wenn Sie nicht wollen, daß Sie nie wieder hierherkommen dürfen.«
    Radbuka erhob sich mit tragischem Gesichtsausdruck. Erneut flankiert von Morrell und Don, die aussahen wie Pfleger in einer psychiatrischen Nobelklinik, trottete er, immer noch schmollend, zur Tür.

18
    Alte Liebe
    Unten war die Party inzwischen vorbei. Die Leute vom Catering-Service räumten die Reste zusammen, saugten das, was auf den Boden gefallen war, weg und spülten die letzten Teller. Im Wohnzimmer diskutierten Carl und Michael über das Tempo in einem Brahmssonett und spielten einzelne Passagen auf dem Flügel, während Agnes Loewenthal ihnen, die Füße untergeschlagen, vom Sofa aus zusah.
    Sie hob den Blick, als ich zur Tür hereinschaute, und erhob sich rasch, um zu mir zu laufen, bevor ich Morrell und Don nach draußen folgen konnte. »Vic! Wer war denn dieser merkwürdige Mann? Carl war ganz außer sich wegen dieser Störung. Er ist in den Wintergarten gegangen und hat Lotty angeschrien, bis Michael ihn dazu gebracht hat aufzuhören. Was ist denn los?« Ich schüttelte den Kopf. »Ehrlich, ich weiß es auch nicht. Der Mann glaubt, daß er seine Kindheit im Konzentrationslager verbracht hat. Er sagt, er habe erst vor kurzem erfahren, daß sein eigentlicher Name Radbuka ist, und dann ist er in der Hoffnung hierhergekommen, daß Max oder Carl mit ihm verwandt ist. Er dachte, daß einer ihrer Freunde in England eine Familie dieses Namens hat.«
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn!« rief Agnes aus.
    Max kam müde die Treppe herunter. »Dann ist er also endlich weg, Victoria? Nein, es ergibt tatsächlich keinen Sinn. Doch am heutigen Abend scheint nichts Sinn zu ergeben. Lotty und in Ohnmacht fallen? Die hat Leuten schon Kugeln aus dem Körper geholt, ohne mit der Wimper zu zucken. Was hältst du von dem Mann, Victoria? Kaufst du ihm seine Geschichte ab? Sie ist wirklich unglaublich.«
    Ich war selbst hundemüde. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Im einen Augenblick ist er den Tränen nahe, im nächsten triumphiert er. Und jedesmal, wenn er etwas Neues erfährt, ändert er seine Geschichte entsprechend. Wo ist er geboren? In Lodz? In Berlin? In Wien? Es verblüfft mich, daß Rhea Wiell sich entschlossen hat, jemanden zu hypnotisieren, der so labil ist - ich würde meinen, daß das seinen ohnehin schon äußerst zerbrechlichen Bezug zur Realität vollends zerstört. Aber natürlich könnten all diese Symptome auch durch genau das verursacht worden sein, was seiner Aussage nach mit ihm passiert ist. Eine Kindheit in Theresienstadt - ich weiß nicht, wie man sich davon jemals wieder erholen soll.«
    Im Wohnzimmer spielten Michael und Carl immer wieder dieselbe Passage, mit Variationen in Tempo und Ton, die für meine Ohren zu subtil waren. Die ewige Wiederholung begann, mir auf die Nerven zu gehen.
    Da öffnete sich die Tür zum Wintergarten, und Lotty trat in den Flur, blaß, aber ansonsten gefaßt. »Tut mir leid, Max«, murmelte sie. »Tut mir leid, daß ich nicht raufgekommen bin, aber ich hatte einfach nicht die Kraft, mich mit ihm auseinanderzusetzen. Carl ist es offenbar genauso gegangen -er ist bei mir gewesen und hat mir Vorwürfe gemacht, daß ich dich da oben allein lasse. Soweit ich sehe, ist Carl jetzt in die Welt der Musik zurückgekehrt und hat diese hier uns überlassen.« »Lotty.« Max hob eine Hand. »Wenn ihr die Auseinandersetzung weiterführen wollt, dann tut das bitte anderswo. Keiner von euch hat zu der Diskussion da oben etwas beigetragen. Aber eins würde ich gern erfahren... «
    Da klingelte es an der Tür. Es war Morrell, der mit Don zurückkehrte.
    »Er scheint ganz in der Nähe zu wohnen«, sagte ich. »Ihr wart nicht lange weg.«
    Morrell trat zu mir. »Er wollte, daß wir ihn an einer Stelle absetzen, wo er ein Taxi nehmen kann.
    Offen gestanden, war ich darüber gar nicht so unglücklich. Zu lange ertrage ich den Mann nicht. Ich hab' ihn vor dem Orrington abgesetzt, da ist ein Taxistand.« »Hast du dir seine Adresse geben lassen?«
    Morrell schüttelte den Kopf. »Ich hab' ihn danach gefragt, als wir in meinen Wagen gestiegen sind, aber er hat sofort gesagt, daß er mit dem Taxi heimfahren will.«
    »Ich hab' auch versucht, sie aus ihm rauszukitzeln«, sagte Don. »Denn natürlich möchte ich ein

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