Ihr wahrer Name
versuchen Sie, das zu akzeptieren. Eine mit uns befreundete Person kannte eine Familie Ihres Namens, aber ich weiß genausoviel über die Radbuka-Familie wie diese Person - leider nicht sehr viel. Wenn Sie mir die Dokumente zeigen würden, könnte ich leichter entscheiden, ob Sie tatsächlich ein Angehöriger dieser Familie sind.« Als Radbuka sich mit Panik in der Stimme weigerte, fragte ich ihn, ob er eine Ahnung habe, woher seine eigentlichen Eltern stammten. Paul faßte diese Frage offenbar als Bestätigung seiner Radbuka-Identität auf und erzählte mit kindlichem Eifer.
»Ich weiß überhaupt nichts über meine richtigen Eltern. Ein paar von unseren sechs Musketieren wußten mehr, aber auch das kann schmerzhaft sein. Meine kleine Miriam zum Beispiel, die arme Kleine, wußte, daß ihre Mutter verrückt geworden war und im Irrenhaus von Terezin starb. Aber nun - Max, du sagst, du kennst Einzelheiten über das Leben meiner Familie. Wer von den Radbukas könnte 1942 in Berlin gewesen sein?«
»Keiner«, sagte Max in bestimmtem Tonfall. »Weder Brüder noch Eltern. Das kann ich Ihnen versichern. Die Familie ist vor dem Ersten Weltkrieg nach Wien emigriert. 1941 wurde sie nach Lodz in Polen geschickt. Die Angehörigen, die 1943 noch lebten, mußten dann weiter in ein Lager nach Chelmno, wo alle starben.«
Paul Ulf-Radbukas Gesicht hellte sich auf. »Dann bin ich vielleicht in Lodz geboren.«
»Ich dachte, Sie wissen, daß Sie in Berlin geboren wurden«, platzte ich heraus.
»Aus der Zeit gibt es so wenige wirklich verläßliche Dokumente«, sagte er. »Vielleicht haben sie mir die Dokumente eines Jungen gegeben, der im Lager gestorben ist. Alles ist möglich.«
Ein Gespräch mit ihm war wie ein Spaziergang im Sumpf: Jedesmal, wenn man glaubte, Boden unter den Füßen zu haben, rutschte er wieder weg.
Max sah ihn mit einem ernsten Blick an. »Keiner von den Radbukas hatte in Wien eine wichtige Stellung inne: Sie haben sich weder gesellschaftlich noch künstlerisch ausgezeichnet; das galt für die meisten Leute, die nach Theresien... nach Terezin geschickt wurden. Natürlich gab es auch da Ausnahmen, aber ich bezweifle, daß es sich bei diesem Fall um eine handelt.« »Du willst mir also sagen, daß meine Familie nicht existiert.
Aber ich sehe, daß du sie vor mir versteckst. Ich möchte sie persönlich kennenlernen. Ich weiß, daß sie zu mir stehen wird, wenn wir uns erst einmal getroffen haben.«
»Eine einfache Lösung für das Problem wäre ein DNA-Test«, schlug ich vor. »Max, Carl und die mit ihnen befreundete Person könnten eine Blutprobe abgeben, wir könnten uns auf ein Labor in England oder den Vereinigten Staaten einigen und auch eine Probe von Mr.... Mr. Radbukas Blut dorthin schicken. Das würde endgültig klären, ob er mit irgend jemandem von euch oder mit der mit Max befreundeten Person verwandt ist.«
»Ich habe keine Zweifel!« rief Paul mit hochrotem Kopf aus. »Vielleicht ist das bei Ihnen so; aber Sie sind ja auch Detektivin und verdienen sich Ihren Lebensunterhalt mit Ihrem Mißtrauen. Ich werde mich nicht behandeln lassen wie ein Versuchskaninchen, so wie seinerzeit die Leute in dem medizinischen Labor in Auschwitz oder wie die Mutter von meiner kleinen Miriam. Die Nazis haben sich auch für Blutproben interessiert. Denen ging's um Vererbung und Rassenlehre, das lasse ich nicht mit mir machen.«
»Tja, dann stehen wir also wieder ganz am Anfang«, sagte ich. »Es gibt ein Dokument, das Sie allein kennen, aber ich als mißtrauische Detektivin habe keinerlei Möglichkeit, Ihre Aussagen zu verifizieren. Wer ist übrigens Sofie Radbuka?«
Paul reagierte mit einem Schmollen. »Den Namen habe ich im Internet gefunden. Jemand in einem Chatroom zum Thema vermißte Personen hat gesagt, er will Informationen über eine Sofie Radbuka, die in den vierziger Jahren in England gelebt hat. Ich habe geantwortet, daß sie wahrscheinlich meine Mutter war, aber die Person im Chatroom hat nie wieder was von sich hören lassen.«
»Wir sind jetzt alle müde«, sagte Max. »Mr. Radbuka, warum schreiben Sie nicht alles, was Sie über Ihre Familie wissen, auf? Ich bitte dann die mit mir befreundete Person, das gleiche zu tun. Dann können Sie mir Ihren Text geben und erhalten dafür den anderen. Wenn Sie ihn gelesen haben, könnten wir uns wieder treffen, um unsere Anmerkungen zu vergleichen.« Radbuka schob die Unterlippe vor, hob aber nicht einmal den Kopf, um uns zu zeigen, daß er den Vorschlag
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