Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
schlug die Augen auf, plötzlich hellwach und nicht sicher warum. Sie fühlte sich ein klein wenig unwohl. War es die Sache wert, aufzustehen und eine Magentablette einzunehmen?
Das Fenster klapperte erneut. Von draußen ertönte ein Knacken wie von einem brechenden Zweig. Der Wind frischte böig auf und zerrte an den Fensterriegeln. Hoffentlich bedeutete es nicht, dass es Regen geben würde. Ein weiteres Rascheln draußen vor dem Cottage, wie von rollenden Steinchen, gefolgt von einem Scharren.
In der Dunkelheit war das Fenster ein Rechteck aus grauem Licht. Der Zweig, der immer wieder die Scheibe berührte, schwankte im Wind hin und her. Das Kratzen ertönte von neuem. Es stammte nicht von dem Zweig. Es kam von unten, vom Boden.
Vielleicht ein Tier, das auf Nahrungssuche ist? , dachte Meredith. Vielleicht Nimrod, der aufs Neue sein Revier markieren will, vielleicht sogar ein Fuchs? Einige Minuten lang überlegte Meredith, ob sie vielleicht aufstehen und zum Fenster gehen sollte, um nachzusehen, dann ins Bad, ein Rennie nehmen und wieder zurück ins Bett. Doch es war viel zu anstrengend, wo sie doch so warm und behaglich unter der Bettdecke lag.
»Alan?«, flüsterte sie.
Keine Antwort. Meredith entspannte sich. Von draußen kam eine Serie weiterer Geräusche, ein leises, beharrliches Klicken. Es klang nicht nach irgendeinem ihr bekannten Tier. Außer vielleicht einem Igel, dachte sie. Igel konnten sehr merkwürdige Geräusche verursachen.
Sie lag noch eine Weile wach und sehnte sich danach einzuschlafen, doch der Schlummer wollte sich nicht einstellen. Sie lauschte angestrengt in die Dunkelheit, doch von draußen kamen keine weiteren unidentifizierbaren Geräusche mehr. Der Kampf gegen das Wachsein rückte unterdessen an die erste Stelle. Alans tiefer Schlaf erfüllte sie nach und nach mit Groll. Wie konnte er so unverschämt fest schlafen?
Manchmal half es, aufzustehen und ein wenig umherzuwandern oder etwas Konstruktives zu tun, beispielsweise eine Tasse Tee aufsetzen. Das war kurios, da dies die Zeit der Nacht war, wo sich der Schlaf als tödlich erweisen konnte. Zwischen drei und vier Uhr morgens gewann der Tod einen natürlichen Vorteil über das Leben, wie Meredith irgendwo gelesen hatte. Um vier Uhr morgens war die Körpertemperatur auf ihren tiefsten Punkt abgesunken, und der Schlaf hatte vorübergehend einen Teil der Körperfunktionen deaktiviert. Manch ein Schläfer trieb weiter und weiter davon, ohne etwas dagegen unternehmen zu können, weil er es einfach nicht spürte …
Und wenn dieser Gedanke nicht genügte, um einen aus dem Bett zu treiben und ein paar Übungen zu machen, dann war es um einen geschehen.
Vorsichtig schlüpfte Meredith unter ihrer Bettdecke hervor und trat nun, da es zu spät war, nach der Ursache für die Geräusche zu forschen, ans Fenster, um nach draußen zu sehen. Die Morgendämmerung würde bald einsetzen – am Horizont zeigte sich ein erster schwacher Lichtschein. Es war, wie sie mit einem Blick auf die Leuchtziffern des Digitalweckers auf dem Nachttisch neben Alan feststellte, zwanzig vor fünf. Die gefährliche Zeit war vorüber, und ein neuer Tag stand bevor.
Meredith tappte ins Badezimmer und suchte nach ihren Rennies. Das Unwohlsein verging. Tee machen oder nicht, lautete die nächste Frage. Sie ging zurück ins Schlafzimmer, wo Alan noch genauso reglos dalag wie zuvor. Für sich alleine Tee zu machen war zu viel Aufwand. Sie schlüpfte unter die Decke. Ihre Füße waren kalt geworden. Die plötzliche Wärme unter der Decke war ein Schock.
Und es funktionierte, das kurze Aufstehen und Umherwandern. Ganz plötzlich übermannte sie der Schlaf. Doch es war der leichte Schlaf des frühen Morgens, wenn die Träume kommen. Meredith träumte. Es war ein konfuses Abenteuer wie in einem alten Film, die letzten, spannendsten Szenen.
Sie fuhr in einem schnellen offenen Wagen, einem altmodischen Ding, und Alan saß neben ihr. Doch als sie sich zu ihm umdrehte, war es nicht Alan, sondern jemand anderes, eine ältere Frau mit einem blassen, entschlossenen Gesicht und tief liegenden Augen unter der Art von Hut mit Schleier, den Damen zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts trugen, wenn sie in Automobilen unterwegs waren. Die fremde Frau streckte eine klauenartige Hand aus und packte Meredith ins Steuer.
»Lassen Sie mich fahren!«, schnaubte die Fremde. Der Schleier wehte ihr vor das Gesicht. Doch Meredith weigerte sich, das Steuer loszulassen. Es war wichtig, nicht auf
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