Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
Woche direkt nebenan«, sagte Meredith seufzend. Markby stand bereits wieder am Fenster und sah hinaus auf die ruhige Straße.
»Ja. Sie wohnt wirklich ein wenig abgeschieden hier, erst recht jetzt, nachdem sie ihre Nachbarin verloren hat. Ich hoffe sehr, dass Paul bald einen langfristigen Mieter für dieses Cottage findet.«
Um zehn Uhr schien die Sonne, und die hässliche Überraschung des frühen Morgens war fast in Vergessenheit geraten. Selbst Wynne schien sich in der Zwischenzeit wieder beruhigt zu haben.
»Der Sommer nähert sich dem Ende«, sagte sie.
»Ich hätte
das Beet sowieso bald umgegraben.« Sie ging voran und zeigte ihnen den Weg.
»Janine Catto wohnt in Stable Row. Sie müsste eigentlich zu Hause sein – ich glaube nicht, dass sie bereits eine neue Stelle gefunden hat, seit Olivia nicht mehr lebt. Hier in dieser Gegend gibt es nicht viel Arbeit für eine junge Mutter. Sie hat gelegentlich für andere geputzt, doch ich bin sicher, sie hätte gerne wieder einen Job wie den bei Olivia Smeaton. Ich hatte überlegt, ob ich sie fragen soll. Vielleicht möchte sie zwei Vormittage die Woche bei mir arbeiten.«
Hufgeklapper wurde laut, und um eine Häuserecke erschien ein Mädchen auf einem Pony. Pferd und Reiterin waren wunderschön zurechtgemacht. Das Fell des Ponys glänzte wie poliertes Messing, und seine Mähne und sein Schwanz waren so dicht wie karamellisierte Zuckerwatte. Das Mädchen war vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt und stand offensichtlich am Anfang der Pubertät, denn die ersten weiblichen Konturen wurden sichtbar. Sie erweckte einen kompetenten Eindruck mit ihrer Reitkappe, die mit einem Band unter dem Kinn gehalten wurde, einer zugeknöpften grünen Leibweste und eng sitzenden Reithosen.
»Hallo Julie!«, begrüßte Wynne das junge Mädchen freundlich.
»Guten Morgen, Mrs Carter!« Julie hob die Hand und winkte.
»Das war die Tochter von Max Crombie«, erklärte Wynne Carter, als Julie außer Sicht war.
»Ein nettes Kind, noch unschuldig und nicht verdorben, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Das ist das Mädchen, dem Olivia Smeaton zweitausend Pfund hinterlassen hat, nicht wahr?«, erinnerte sich Meredith.
»Ganz recht. Nicht, dass Julies Vater knapp bei Kasse wäre, im Gegenteil. Als die Nachricht die Runde im Dorf gemacht hat, murmelten einige Leute missmutig, dass Geld immer nur dorthin fließt, wo es ohnehin schon im Überfluss vorhanden ist.« Wynne dachte über ihre letzten Worte nach.
»Es ist schon eigenartig, wissen Sie?«, sagte sie dann.
»Aber es ist tatsächlich häufig der Fall. Sehen Sie sich Janine Catto an, sie ist allein erziehend und hat zwei Jungen zu versorgen. Sie hätte zweitausend Pfund gut gebrauchen können. Olivia hat ihr nur zweihundert Pfund vermacht, obwohl Janine jahrelang für sie gearbeitet und alle möglichen Dinge besorgt hat, die im Grunde genommen nicht zu ihrer Arbeit gehörten. Doch es war Olivias Geld, und sie konnte damit tun und lassen, was sie wollte.« Sie waren beim Pub angekommen, dem King’s Head. Es war ein verschachteltes, weitläufiges Gebäude an einer Straßenecke. Über dem Eingang zeigte ein auf beiden Seiten bemaltes Schild den glücklosen Charles I. kniend vor dem Hinrichtungsblock. Vor ihm stand eine maskierte Gestalt, die mit beiden Händen eine hoch erhobene Axt hielt. Die Rückseite des Wirtshausschilds zeigte den herunterfallenden Kopf des Königs.
»Wirklich nett«, sagte Markby mit schiefem Grinsen. Hinter dem Pub ging es in eine Gasse: Stable Row. Der Name ließ vermuten, dass die heutige Dorfgaststätte einst ein größeres Haus gewesen war mit einem Mietstall oder vielleicht sogar einer Wechselstation für den Postkutschendienst. Sie bogen in die schmale, verlassen daliegende Gasse ein. Baufällige kleine Reihenhäuser standen zu beiden Seiten. Auf halbem Weg durch die Gasse entdeckten sie eine Art Ladengeschäft. Was für ein eigenartiger Laden, dachte Meredith. Ein ganz eigenartiger Laden. Neugierig blieb sie stehen, um das staubige Schaufenster eingehender zu betrachten. In der Auslage stand nichts, aber auch gar nichts, was irgendjemand als kaufenswert erachten konnte. Die braunen Kartons und vergilbten Verpackungen auf den billigen Untersetzern waren von einer dicken Staubschicht überzogen. Unattraktive Ketten mit fliegendreckübersäten Plastikperlen baumelten über hässlichen Ziergegenständen. Mitten in der Auslage schlief ungerührt eine schwarzweiße Katze, wenn dieses bunte
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