Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
reinen Fakten auf den Tisch gelegt und Ihnen das Denken überlassen. Ich habe peinlich darauf geachtet, Ihnen keine Schlussfolgerungen zu suggerieren, wie man so schön sagt. Ich dachte, als ein hoher Polizeibeamter mit viel Erfahrung würden Sie das Gleiche sehen wie ich, gleich auf den ersten Blick!« Eine graue Locke löste sich aus ihrem Chignon und fiel ihr über die Nase. Wynne strich die Locke rigoros nach hinten.
»Aber Sie lassen mich doch gar nicht zu meinen eigenen Schlussfolgerungen kommen«, entgegnete Markby.
»Sie versuchen, mich dazu zu bringen, dass ich mich Ihrer Meinung anschließe.«
»Ich war viele Jahre lang Journalistin!«, begehrte Wynne auf.
»Ich habe eine Nase für eine Story, und Sie als Polizist sollten wirklich riechen, wenn an einer Sache etwas stinkt!«
»Haben Sie je eine Geschichte abgedruckt, ohne sie gründlich zu recherchieren, Wynne?«
»Nein, selbstverständlich nicht!« Sie war beleidigt. Die Haarnadeln bebten, und eine löste sich und verharrte in einem Winkel, der jeglicher Gravitation spottete. Meredith beobachtete sie fasziniert.
»Richtig, und genau das Gleiche tue ich auch – ich meine, ich fange nicht an zu ermitteln, solange ich keine Indizien oder Beweise finden kann. Und weder das eine noch das andere habe ich gesehen, Wynne.« Da ist er wieder, dieser halsstarrige Unterton in seiner Stimme, dachte Meredith. Er hat doch wohl nicht im Ernst vorgehabt, Rookery House zu kaufen, oder vielleicht doch? Bestimmt war es nur eine Laune des Augenblicks. Zugegeben, es war ein wunderschönes Haus. Meredith seufzte. Wynne sah aus, als würde sie jeden Moment frustriert aufspringen oder mit der Faust auf den Tisch schlagen, doch sie wurde durch Mervyns Rückkehr daran gehindert. Er trug ein Blechtablett mit den Getränken, die er nun vor ihnen abstellte, wobei es ihm tatsächlich gelang, jedem das falsche Getränk zu geben. Nachdem er sich wieder entfernt hatte, sortierten sie ihre Drinks, Gin für Wynne, die Cidre bekommen hatte, Cidre für Meredith, die Bier erhalten hatte, und das Pint für Markby, dem Gin Tonic vorgesetzt worden war. Wynne hatte die Unterbrechung genutzt, um ihre Argumente zu sortieren.
»Hören Sie, Alan, Sie müssen doch wohl zugeben, dass Olivia Smeatons Verhalten eigenartig war. Sie hat sich versteckt, das hat sie getan, hier in Parsloe St. John!«
»I want to be alone …«, murmelte Markby dramatisch.
»Sie könnten die Sache wenigstens ernst nehmen, und wenn auch nur aus Höflichkeit!«
»Bitte verzeihen Sie, Wynne.« Er war sichtlich zerknirscht. Wynne beugte sich vor und zischte:
»Was es auch immer war, das Olivia Smeaton Angst gemacht hat, am Ende hat es sie gefunden.«
»Wer sagt das … äh, nochmals Entschuldigung, Wynne. Aber ganz ehrlich, Sie haben nicht den Hauch eines Beweises für diese Vermutungen.«
»Ich glaube einfach nicht, dass Olivias Sturz die Treppe hinunter ein Unfall gewesen ist!«, sagte Wynne entschieden.
»Ich weiß, dass die Sohle ihres Pantoffels lose war, aber sie ist seit einer Ewigkeit mit diesen Pantoffeln durch die Gegend gelaufen, und wir wissen nicht genau, wie lose die Sohle tatsächlich war. Ich meine, wenn jemand sie die Treppe hinuntergestoßen hat, dann könnte er als Allererstes hinterher die Sohle noch ein wenig weiter gelöst haben, nicht wahr? Und als Nächstes die Strebe in der Balustrade zerbrochen haben. Sie hätte an jedem beliebigen Tag in den vorangegangenen Wochen fallen können, Alan, doch sie fiel ausgerechnet am Wochenende, wenn niemand im Haus ist und niemand sie vor Montagmorgen findet. Ich glaube das einfach nicht!«
»Es ist ein Zufall, aber so etwas geschieht. Mrs Smeaton war bereits sehr alt und wahrscheinlich auch ein wenig wacklig auf den Beinen, auch ohne die gelöste Pantoffelsohle. Bei der Gerichtsverhandlung zur Feststellung ihrer Todesursache wurde dies sicher alles erörtert. Hätte es einen ernsten Zweifel gegeben, dann glaube ich sicher, dass er während dieser Verhandlung mitgeteilt worden wäre. Das ist nicht geschehen, wie ich annehme. Und was das Verstecken angeht, ich würde es nicht so ausdrücken. Mrs Smeaton war eine ältere Frau und lebte zurückgezogen, so viel räume ich ein. Sie hat ihre langjährige Freundin verloren und davor ihren Ehemann. Sie hat daraufhin beschlossen, den Rest ihres Lebens ohne Gesellschaft zu verbringen. Vielleicht hätte sie einen weiteren Verlust nicht ertragen. Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass sie in den letzten Jahren
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