Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
nein. Ich bin nur zu Besuch hier im Dorf und hätte gerne ein paar Informationen.«
»Ah.« Er setzte sich und legte die Hände auf die Knie.
»Ich bin gerne bereit, Ihnen zu helfen, soweit es in meiner Macht steht. Ich bin nämlich selbst noch nicht so lange in diesem Dorf.«
»Dann haben Sie Mrs Smeaton also nicht gekannt? Die alte Dame, die in Rookery House gelebt hat?«
»O doch! Die gute alte Ollie!« Ein weiteres entwaffnendes Lächeln.
»Kannten Sie Olivia ebenfalls?« Merediths Hoffnungen schwanden dahin. Sie schätzte, dass seine kumpelhafte Art bei jemandem wie Olivia sehr schlecht angekommen war. Sie verneinte die Frage des Vikars. Dave begann ausschweifend zu erzählen und bestätigte Merediths schlimmste Befürchtungen.
»Ollie war eine von diesen großen alten Damen, wissen Sie? Sehr altmodisch und festgefahren in ihren Wegen. Ein richtiges Relikt der alten Klassengesellschaft. Es war eine wahre Schande, wirklich, weil sie dadurch ins Abseits geriet und ihre Freunde verlor.« Meredith unterdrückte den Wunsch, ihn zu korrigieren und zu sagen, dass Olivia durchaus ein paar Freunde gehabt hatte – allerdings von der Sorte, ohne die man glücklicher war.
»Wie ich gehört habe, ist sie hin und wieder zur Kirche gegangen, damals, als sie ins Dorf zog.« Dave nickte altklug.
»Kann ich nicht sagen – das muss während der Amtszeit meines Vorgängers gewesen sein. Er war ein netter, tatteriger alter Bursche. Ganz bestimmt mehr Ollies Stil.«
»Es ist immer traurig, wenn ein älterer Mensch sich plötzlich fremd fühlt in einer Kirche, der er sein ganzes Leben lang angehört hat«, sagte Meredith – vielleicht nicht ganz höflich, doch offen, und Daves Unbekümmertheit ermüdete sie bereits jetzt, nach wenigen Minuten. Dave jedoch war taub für jegliche Kritik.
»Ich habe sie ein paar Mal besucht. Man soll nie nie sagen, nicht wahr? Und ich gebe nicht so leicht auf. Trotzdem, Ollie war eine harte Nuss, glauben Sie mir. Sie brauchte Freunde, dringend. Hätte sie Freunde gehabt, wäre sie nicht so alleine gestorben. So unglaublich traurig.«
»Wie das?«, fragte Meredith ein wenig schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Ob er erkannt hatte, dass sie nicht der gleichen Meinung war wie er, oder ob ihm sonst etwas eingefallen war – Daves Vergnügtheit schwand dahin.
»Sie hätte jemanden gehabt, der sie besucht, nach ihr schaut und über einer Tasse Tee ein Schwätzchen mit ihr hält. Aber wie es aussah, war sie ganz allein in diesem großen Haus.« Ein wenig aufsässig fuhr er fort:
»Ich habe mehr als einmal versucht, sie zu überreden, in unseren Club zu kommen.«
»Club?«, fragte Meredith schwach.
»O ja! Wir sind eine blühende Gemeinde in Parsloe St. John! Jeden zweiten Mittwochnachmittag kommen unsere alten Mitbürger in das Gemeindezentrum – haben Sie es gesehen? Im Moment ist es ein Provisorium – eine umgebaute Garage in Stable Row. Trotzdem, Menschen sind wichtiger als Mauern, wie es so schön heißt, und wir haben jedes Mal eine vergnügte Zeit. Ein wenig Gesang zum Piano, die alten Lieder. Den alten Menschen gefällt es. All die Evergreens. Die Frauen backen Kuchen und bringen ein paar Kannen Tee mit. Manchmal veranstalten wir eine Tombola. Es gefällt ihnen, wirklich. Wenn jemand in Urlaub war, hält er hinterher einen Vortrag. Mrs Harris hat einen tollen Vortrag über die Kanaren gehalten, und ihre Enkelin kam vorbei und hat uns alles über Miami erzählt. Einmal im Jahr machen wir einen Ausflug im Bus. Dieses Jahr waren wir in Weston-SuperMare. Sie haben auf den Docks gesessen und ihre alten Füße ins Meer baumeln lassen. Ich wollte Ollie zum Mitkommen bewegen, aber sie war viel zu schüchtern. Eine Schande, wirklich, eine richtige Schande.«
»Aber Sie müssen doch gesehen haben, dass Mrs Smeaton nicht sehr gesellig war?«, fragte Meredith.
»Darin stimme ich Ihnen absolut zu. Sie hat sehr zurückgezogen gelebt in diesem Haus. Keinerlei Verbindung zur Außenwelt. Das ist auch so etwas, dieses Haus. Ziemlich ungeeignet für eine allein stehende alte Person. Ich habe sie zu überreden versucht, es zu verkaufen und das Geld in eine Wohnung in einem Pflegeheim zu investieren, vergeblich. Sie war eine sehr eigensinnige Person, und es war sinnlos, ihr etwas einreden zu wollen.« Er stockte.
»Sie scheint meine Besuche trotzdem wohlwollend aufgenommen zu haben, denn sie hat dem Fonds zur Sanierung unserer Kirche in ihrem Testament eine beträchtliche Summe hinterlassen. Ich
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