Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
Schluss zu machen oder sie
zu betrügen oder wovor sie auch immer Angst hatte. »Ach, ich weiß auch nicht.«
Er nahm sich ein Brötchen aus dem Brotkorb und riss es in zwei Hälften. »Am
liebsten würde ich mir ja ein Jahr Auszeit nehmen und mit meinem Dad ein
bisschen um die Welt segeln.«
Nate sah nicht ein, mit siebzehn schon sein gesamtes
Leben vorauszuplanen. Konnte man sich nicht ein oder zwei Jahre frei nehmen,
in der Karibik rumschippern oder in Chile Ski fahren und danach studieren? Das
war immer noch früh genug. Aber seine Klassenkameraden an der St.-Jude-Schule
waren alle fest entschlossen, nach der Schule ruckzuck auf die Uni zu gehen und
dann so schnell wie möglich ihren Abschluss zu machen. Nate verstand nicht, wie
sie sich lebenslänglich zu etwas verpflichten konnten, ohne vorher je überlegt
zu haben, was ihnen wirklich Spaß machte. Er zum Beispiel liebte die eiskalten
Atlantikwellen, die sich schäumend am Bug seines Segelbootes brachen. Die
Sonne, die ihm beim Segelsetzen auf den Rücken brannte. Und das grüne
Aufblitzen des Sonnenballs, kurz bevor er im Meer versank. Das Leben hielt
garantiert noch viele solcher Augenblicke bereit. Die wollte er erleben. Und
zwar alle.
Vorausgesetzt, es wurde nicht zu anstrengend. Sich
anzustrengen war nämlich nicht so sehr sein Ding.
»Das mit der Auszeit wird Blair aber gar nicht gerne
hören.« Mr Waldorf grinste. »Sie hat sich in den Kopf gesetzt, dass ihr beide
in Yale studiert, danach heiratet und glücklich und zufrieden bis an euer Ende
zusammenlebt.«
Nate sah zu, wie Blair erhobenen Hauptes wieder zum
Tisch zurückkehrte. Auch die anderen Gäste beobachteten sie. Nicht dass sie
besser angezogen, schlanker oder größer als andere Mädchen hier gewesen wäre,
aber sie strahlte heute dieses ganz besondere gewisse Etwas aus. Und sie wusste
es.
Ihre Steaks wurden serviert. Blair zerschnitt ihres in
große Stücke, die sie mit viel Champagner und bergeweise gebuttertem
Kartoffelpüree hinunterspülte. Sie betrachtete Nates Schläfen, die sehr
erotisch pulsierten, wenn er kaute, und konnte es kaum eiwarten, aufzustehen
und zu gehen. Sie brannte darauf, endlich mit dem Jungen zu schlafen, mit dem
sie den Rest ihres Leben zu verbringen gedachte. Wenn es überhaupt so etwas wie
den richtigen Moment gab, dann war er jetzt gekommen.
Nate staunte über die Gier, mit der sich Blair über
ihr Steak hermachte. Sie säbelte riesige Brocken ab und kaute hingebungsvoll
mit mahlenden Kiefern. Ob sie im Bett nachher wohl auch so ranging? Okay, sie
hatten schon oft heftig rumgemacht, aber da war immer er der Aktive gewesen.
Blair hatte meistens eher reglos dagelegen und zart geseufzt, wie es Mädchen in
Film-Liebesszenen tun, während er herumturnte und sich an ihr zu schaffen
machte. Heute wirkte sie ungeduldig, wie ausgehungert.
Klar war sie ausgehungert. Sie war doch gerade erst
abkotzen gewesen.
»So was Gutes kriegst du in Yale natürlich nicht zu
essen, Bärchen«, sagte Mr Waldorf. »Da hockst du dann wie die anderen in
deinem Zimmer im Studentenwohnheim und ernährst dich von Pizza und
Dosenravioli.«
Blair rümpfte die Nase. Sie hatte noch nie im Leben
Ravioli aus der Dose gegessen. »Quatsch«, sagte sie. »Nate und ich ziehen doch
nicht ins Studentenwohnheim. Wir suchen uns eine Wohnung.« Sie streckte das
rechte Bein vor und rieb mit der Stiefelspitze über Nates Fußgelenk. »Und ich
lerne kochen.«
Mr Waldorf sah Nate mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Na, dann hon appetit.«
Nate leckte grinsend den Kartoffelbrei von seiner
Gabel. Er hatte nicht vor, Blair zu sagen, dass ihr kleiner Traum von einer
gemeinsamen Wohnung in New Häven noch absurder war als die Vorstellung,
Dosenfutter zu essen. Er wollte keinen Ärger.
Blair verzog den Mund. »Haha, Daddy«
Die Teller wurden abgeräumt. Blair drehte ungeduldig
an dem schmalen Rubinring an ihrem Mittelfinger und schüttelte den Kopf, als
der Kellner Kaffee oder Dessert anbot. Dann stand sie abrupt auf und stürzte
zur Toilette - zweimal hintereinander, das war sogar für ihre Verhältnisse
extrem, aber sie war eben auch sehr aufgeregt.
Glücklicherweise ist die Toilette im »Le Giraffe« mit
sehr diskreten Kabinen ausgestattet.
Als Blair wieder auftauchte, kam das gesamte Personal
des Restaurants im Gänsemarsch aus der Küche. Der Restaurantchef, der den
Trupp anführte, trug eine mit brennenden Kerzen dekorierte Torte. Es waren
insgesamt achtzehn. Siebzehn für jedes Lebensjahr und eine
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