Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
ich
verdiene das Beste«, sagte Blair selbstsicher. Dann runzelte sie die Stirn.
Irgendwie klang das nicht gut. Was war bloß mit ihr
los? »Und außerdem hat mein Vater auch hier studiert«, fügte sie hastig hinzu.
»Da war er aber noch nicht schwul.«
Zwischen Jasons Augenbrauen bildete sich eine steile
Falte, während er wieder etwas auf seinen Block kritzelte. »Ah so, ja.«
Blair gähnte diskret in ihre Faust. Sie war todmüde
und ihre Füße brannten in den engen Schuhen. Sie stellte die Beine
nebeneinander, stützte die Ellbogen auf die Knie und schlüpfte mit den Fersen
aus den Schuhen. Ah! Viel besser.
Nur sah sie jetzt aus, als säße sie auf dem Klo.
Jasons Hand glitt über das Papier. Im kalten Licht des Novembertages, das
durchs Fenster drang, blitzten seine goldenen Manschettenknöpfe mit Monogramm
auf.
Blairs Vater hatte ganz ähnliche Manschettenknöpfe
getragen, als er sie zu ihrem Geburtstagsessen eingeladen hatte. An dem Abend,
an dem die ganze elende Misere ihren Lauf genommen hatte.
Jason sah wieder auf. »Welches Buch, das Sie in
letzter Zeit gelesen haben, hat Ihnen ganz besonders gefallen?«, fragte er.
Blair sah ihn stumm an, während sie die Windungen
ihres Hirns verzweifelt nach einem Buchtitel absuchte - nach irgendeinem - und
keinen fand.
Pu der Bär? Die Bibel. Webster's Dictionary -
Herrgott, das konnte doch nicht so schwer sein.
Plötzlich machte etwas in ihrem Kopf klick. Oder besser gesagt, ihr Kopf schaltete
sich komplett aus, und dafür übernahm etwas anderes die Kontrolle.
Das sollte einem während eines wichtigen Bewerbungsgesprächs
besser nicht passieren.
»Ich bin in der letzten Zeit nicht so viel zum Lesen
gekommen«, gestand Blair. Ihre Unterlippe zitterte und sie schloss
schmerzerfüllt die Augen. »Mein Leben ist ein einziger Trümmerhaufen.«
Da war sie wieder - die Hauptdarstellerin des
tragischen Films, der ihr Leben war. Blair sah sich in einem schwarzen, modisch
kurzen Trenchcoat an einem menschenleeren Strand stehen und aufs Meer
hinausblicken. Begen und Salzwasser strömen ihr übers Gesicht und vermischen
sich mit ihren Tränen.
»Ich habe eine Pyjamahose geklaut«, fuhr sie
theatralisch fort. »Für meinen Freund. Ich weiß selbst nicht, wieso ich das
gemacht hab, aber ich glaube, es hat irgendwas zu bedeuten. Glauben Sie nicht?«
Sie sah Jason fragend an. »Nate hat sich noch nicht mal bedankt.«
Jason rutschte leicht irritiert auf seinem Stuhl
herum. »Nate?«
Blair zog ein Tuch aus der Kleenexschachtel auf dem
Schreibtisch und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Ich habe sogar daran
gedacht, mit allem Schluss zu machen«, verkündete sie. »Ganz im Ernst. Aber
ich will versuchen, stark zu sein und durchzuhalten.«
Jason schrieb jetzt nicht mehr. Ein Student in einem
Yale- Sweatshirt sprintete am Fenster vorbei. »Wie sieht es denn mit Sport aus?
Interessieren Sie sich für Sport?«
Blair hob gleichgültig die Schultern. »Ich spiele
Tennis. Aber Sport ist mir im Moment nicht so wichtig. Ich würde am liebsten
ganz von vom anfangen. Ein neues Leben beginnen.« Sie zog den rechten Schuh
aus, legte den Fuß auf ihr linkes Knie und begann, sich die Zehen zu massieren.
»Ich bin einfach total am Ende«, sagte sie müde.
Jason steckte die Kappe auf seinen Füller und schob
ihn in die Hemdtasche zurück. »Tja, äh... haben Sie zum Abschluss vielleicht
auch noch Fragen an mich?«
Blair hörte auf, sich die Zehen zu reiben, und stellte
den Fuß wieder auf den Boden. Sie rutschte in ihrem Sessel ein Stück vor und
legte Jason ihre Hand aufs Knie. »Wenn Sie mir jetzt schon eine feste Zusage
geben könnten, dass Sie mich aufnehmen, garantiere ich Ihnen, dass ich die
beste Studentin sein werde, die Yale jemals gehabt hat«, sagte sie ernsthaft.
»Können Sie mir das versprechen, Jason?«
Oh. Mein. Gott. Adieu, Yale - hallo, x-beliebiges
staatliches Nietencollege!
Jason griff in seine Hemdtasche, holte den Füller noch
einmal heraus und notierte etwas auf seinem Block, das er anschließend
doppelt unterstrich.
Hm, was er da wohl geschrieben hat? DEB WAHNSINN HAT
EINEN NAMEN?
»Ich werde sehen, was sich für Sie tun lässt«, sagte
Jason. Er stand auf und streckte die Hand aus. »Danke, dass Sie bei uns waren.«
Er schüttelte Blair die Hand. »Und viel Glück.«
Blair schlüpfte in ihre Schuhe und lächelte ihn
gewinnend an. »Also, bis nächsten Herbst«, sagte sie.
Und dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und
drückte ihm einen Kuss auf
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