Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
oder?
Jenny stippte den kleinen Finger in den Hummus,
steckte ihn in den Mund und lutschte nachdenklich daran. Obwohl sie Dan ein
bisschen vermisste, änderte das nichts an der Tatsache, dass er ein elender
Trauerkloß war - ob er nun mit Serena zusammen war oder nicht. Je mehr Jenny
darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass Serena gar nicht Dans
Freundin sein musste, um ihre Freundin zu sein. Schließlich hatte Jenny ihr
geholfen, ihren Film zu drehen. Sie konnte jederzeit auf sie zugehen und mit
ihr reden. Sie war nicht mehr Dans kleine Schwester Jenny, sie war jetzt
Jennifer, mit eigener Daseinsberechtigung und einem heiß begehrten Zwölft-
klässler zum Freund.
Sie sah zu Vanessa auf und lächelte. Vielleicht konnte
sie ein gutes Werk tun.
»Serena hat übrigens versucht, eins von Dans
Lieblingsbüchern zu lesen«, erzählte sie kichernd. »Sie fand es total scheiße
und hat es noch nicht mal fertig gelesen.«
Vanessa runzelte die Stirn. »Und?«
Jenny zuckte mit den Schultern. »Na ja, ich wollte
damit nur sagen, dass die beiden, glaub ich, nicht besonders viele gemeinsame
Interessen haben.«
Vanessa kniff die Augen zusammen. »Und das sagt das
Mädchen, das Serena die Fußsohlen lecken würde, wenn sie darum bitten würde?«
Jenny öffnete den Mund, um zu protestieren. Dann
machte sie ihn wieder zu. Irgendwie hatte Vanessa ja Recht. Sie war Serena wie
ein kleines Schoßhündchen hinterhergedackelt. Aber das war einmal. Jetzt war
sie Jennifer.
»Ich dachte ja nur. Wenn du dich immer noch für Dan
interessierst, solltest du was unternehmen. Könnte sein, dass du eine
Überraschung erlebst«, sagte Jenny.
Vanessa schüttelte den Kopf. »Das ist vorbei.« Sie
griff nach einem dreieckigen Stück Pita und riss es ärgerlich in der Mitte
auseinander.
»Glaub ich nicht.«
Vanessa ließ sich von anderen extrem ungern
vorschreiben, wie sie sich zu verhalten habe, besonders von kleinen Mädchen.
Aber Jenny schien es ernst zu meinen, und wenn Vanessa ehrlich war, musste sie
zugeben, dass sie sich eindeutig noch für Dan interessierte.
Sie strich sich über den fast kahlen Kopf und sah
Jenny in die Augen. »Du meinst also, ich hab Chancen?«
Jenny betrachtete Vanessa kritisch. Sie hatte ein
ziemlich gut geschnittenes Gesicht. Mit etwas Lipgloss könnte sie glatt wie ein
Mädchen aussehen. Sie war auch längst nicht so eisenhart und exzentrisch, wie
sie immer tat.
»Vielleicht müsstest du dir die Haare ein bisschen
wachsen lassen, aber... ja, ich glaub, aus euch könnte was werden«, meinte sie.
»Ihr seid doch schon jetzt total gut befreundet. Ihr müsst nur eine Stufe
weiter gehen.«
Ein Mädchen mit Freund wird automatisch zur Expertin
in Liebesfragen.
b dämmert etwas
»Na? Wie lief es?«, fragte Aaron, als Blair nach ihrem
Gespräch zum Wagen zurückkam. Er hockte auf der Motorhaube, schrammelte auf
seiner Gitarre herum und hatte eine Kräuterzigarette im Mundwinkel klemmen. Er
sah aus, als wäre er in Yale zu Hause.
»Ganz okay«, sagte Blair zögernd. Sie war noch nicht
wieder in die Wirklichkeit zurückgekehrt. Sie machte die Beifahrertür auf,
setzte sich und zog ihre Schuhe aus. »Ich glaub, ich hab eine Blase.
Scheißschuhe.«
Aaron öffnete die Fahrertür und rutschte hinters
Steuer. »Was wollten sie denn wissen?«, fragte er.
»Ach, das Übliche. Warum wollen Sie nach Yale... so
was eben«, murmelte Blair, die sich nur ganz nebelhaft an das Gespräch
erinnerte. Sie war einfach nur froh, dass es vorbei war.
»Klingt nach Standardprozedur«, sagte Aaron. »Du hast
es bestimmt gut gemacht.«
»Hmhm, ja.« Blair drehte sich um
und wollte nach ihrer Tasche greifen. Auf dem Rücksitz lag ein Buch.
»Ausgewählte Kurzgeschichten von Edgar Allan Poe«.
In diesem Moment erinnerte sich Blair wieder an eine Frage: »Welches Buch, das Sie in letzter Zeit gelesen haben,
hat Ihnen ganz besonders gefallen?«
Oh-oh.
Und plötzlich fiel ihr alles
wieder ein.
Sie fuhr herum. »Scheiße!« Sie
zitterte richtig.
»Was?«
»Ich hab s
vermasselt. Ich hab das Scheiß-Gespräch komplett vermasselt!«
»Wie meinst du das?«, fragte
Aaron verwirrt.
Blair kratzte sich den Pickel
über der Augenbraue. »Er hat mich gefragt, ob ich in letzter Zeit irgendein
gutes Buch gelesen hätte. Weißt du, was ich gesagt hab?«
Aaron schüttelte den Kopf.
»Was?«
»Dass ich in letzter Zeit
nicht viel zum Lesen gekommen bin, weil mein Leben ein einziger Trümmerhaufen
ist. Ich hab gesagt, dass ich eine
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