Ihr wisst genau, dass ihr mich liebt
schreiben?«,
fragte Marion sanft.
Dan nahm die Hände von den Augen und sah sich benommen
um. In Marions Begalen standen Unmengen von Büchern über Männer und Frauen und
Beziehungsprobleme. Er stellte sich vor, wie sie im Ohrensessel kuschelte, Gemüsebrühe
schlürfte und »Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus« las.
Sollte er sie bitten, es ihm zu leihen?
»Was schreiben Sie denn so?«, lockte Marion.
Dan zuckte unwillig mit den Schultern. »Ach, hauptsächlich
Gedichte.«
Sie nickte. »Aha. Was für Gedichte?«
Dan starrte auf seine speckigen Wildlederschuhe. Gluthitze
kroch ihm vom Hals ins Gesicht hinauf. »Liebesgedichte«, sagte er. O Gott.
Nicht zu fassen, dass er Serena das Gedicht geschickt hatte. Mit Sicherheit
hielt sie ihn für einen psychopathischen Freak.
»Verstehe«, sagte Marion. Sie klickte noch ein paarmal
mit dem Kuli und wartete darauf, dass Dan etwas sagte.
Aber Dan blickte stumm aus dem Fenster auf das feurige
Herbstlaub hinaus. Er hatte sich vorgestellt, mit Serena Hand in Hand über den
Rasen zwischen den Backsteingebäuden der Universität zu schlendern, über
Bücher, Gedichte und Theaterstücke zu diskutieren. Im Waschkeller des Wohnheims
Wäsche zu waschen und Serena auf die Waschmaschine zu heben, sich vor sie zu
stellen und sie zärtlich zu küssen, während ihrer beider Klamotten unter ihr
zusammen in der Trommel wirbelten.
Jetzt konnte er sich nicht mal mehr daran erinnern,
wieso er überhaupt an der Brown hatte studieren wollen. Alles schien sinnlos.
»Tut mir Leid. Ich muss gehen.« Er stand auf.
Marion entknotete ihre dürren Beine. »Alles in
Ordnung?« Sie sah besorgt aus.
Dan rieb sich die Augen und ging zur Tür. »Ich brauche
bloß ein bisschen frische Luft«, sagte er. Er öffnete die Tür und hob die Hand.
»Danke.«
Draußen rauchte er eine Zigarette und betrachtete das
Van Wickle Gate, die offizielle Pforte zum Unigelände. Im Prospekt der Brown
University hatte er gelesen, dass dieses Tor nur an zwei Tagen im Jahr benutzt
wurde. Die beiden Flügel schwangen nach innen, wenn eine neue Gruppe
Erstsemest- ler das Studienjahr begann, und nach außen, wenn der Abschlussjahrgang
symbolisch die Universität verließ.
Dan hatte sich vorgestellt, in einigen Jahren mit
Serena durch das Tor zu schreiten. Arm in Arm in ihren Talaren.
Er hatte so viel geträumt, es hätte ihn nicht
überrascht, wenn er sich auch Serena nur erträumt hätte.
Hatte er nicht.
»Hey Dan, lass uns abhauen!«, rief Serena ihm aus dem
Wagen zu. »Mein Bruder besorgt ein Fass Bier.«
Dan warf die Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
Supergeil, ey, dachte er verbittert. Er konnte es kaum erwarten, Bier zu
saufen und mit Leuten abzuhängen, die auf einer Uni studierten, die ihn nicht
aufnehmen würde, weil er während des Auswahlgesprächs einen
Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Er war versucht, Serena und den anderen zu
sagen, dass er lieber mit dem Bus nach Hause fuhr.
Doch dann drehte er sich um und sah, wie die Sonne auf
ihrem goldenen Haar zerschmolz, wie ihre schlanken Finger blass auf dem Lenkrad
lagen, wie sie ihn anlächelte. Das reichte zwar nicht, ihn seinen Kummer
vergessen zu lassen, aber immerhin schaffte er es, zum Wagen zu gehen und einzusteigen.
Na ja, wenigstens hatte er neues Material für
depressive Gedichte.
krieg und
frieden
Jenny war froh, zur Vorführung von Vanessas Film ins
»Five and Dirne« gekommen zu sein, weil außer Clark nur noch eine einzige
andere Zuschauerin da war. Doch das schien Vanessa nichts weiter auszumachen.
»Hol dir einen Hocker«, sagte sie zur Begrüßung. »Wir
wollten gerade anfangen.« Sie ging zur anderen Seite des Baums und dimmte das
Licht. Der Fernseher über der Bar glühte blau.
»Sekunde«, sagte Clark, der hinter der Theke stand.
»Ich muss noch mal für kleine Barkeeper.«
Es roch nach kaltem Zigarettenrauch und verschüttetem
Bier. Ein Mädchen in blauer Lederhose und schwarzem Unterhemd saß allein an
der Theke. Auf dem Oberarm hatte sie einen kleinen Affen eintätowiert. Jenny
setzte sich neben sie.
»Hi.« Das Mädchen streckte ihr eine Hand hin, an der
viele silberne Binge steckten. »Buby. Ich bin Vanessas ältere Schwester.«
»Ich bin Jennifer«, sagte Jenny. »Cooles Tattoo hast
du.«
»Danke«, sagte Buby. »Ich wollte mir gerade eine Cola
bestellen, willst du auch eine?«
Als Jenny nickte, drehte Ruby den Kopf mit der
trendigen schwarzen Bobfrisur und brüllte in Richtung Männerklo.
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