Ihre Heimat sind die Sterne
Heulen. Obwohl er sich dessen schämte, fühlte Gordon, wie die uralte Erregung der Primitiven in ihm aufstieg. Schließlich warf der gefleckte Gerrn die Messer von sich und eilte mit bluttriefender Flanke durch das Tor ins Freie, während Sserk den Siegesschrei ausstieß, und die Gerrn sich um ihn scharten, mit Wein und Lob und Verband für die Wunden.
Gordon griff nach seinem Becher, als Korkhann ihn anstieß. »Dort, bei der Tür ...«
Gordon sah einen großen, ganz in schwarzes Leder gekleideten Mann mit dem gleißenden Symbol einer juwelenbesetzten Streitaxt auf der Brust. Er trug einen stählernen Helm mit einem Federbusch und einen Umhang von dunklem Purpur, der bis zu den Fersen reichte. Etwas oder jemand stand hinter ihm.
Gordon hörte Lianna scharf einatmen. Narath Teyn war bereits aufgesprungen und gebot Ruhe. Dann rief er dem Neuangekommenen einen Gruß entgegen.
»Cyn Cryver, Graf der Öde! Willkommen!«
Die Gerrn wichen respektvoll zur Seite, als der Graf in die Halle trat. Jetzt bemerkte Gordon, daß sein Begleiter ganz in einen schimmernden grauen Kapuzenumhang gehüllt war. Die Gestalt unter diesem fließenden Gewand schien seltsam verkümmert, und sie bewegte sich gleitend vorwärts, eine Bewegung, die Gordon unwillkürlich abstieß.
Der Graf nahm den Helm ab und beugte sich über Liannas Hand. »Ein glücklicher Zufall, Lady, für mich zumindest. Ich hoffe, es stört Sie nicht, daß ich denselben Zeitpunkt für einen Besuch bei Ihrem Vetter wählte.«
»Die Wege des Zufalls sind in der Tat erstaunlich«, erwiderte Lianna mit übertriebener Freundlichkeit. Sie entzog ihm ihre Hand. »Wer ist Ihr Begleiter?«
Das Wesen, dessen Gesicht ebenfalls völlig unter der Kapuze versteckt war, verneigte sich und gab einen dünnen Zischlaut von sich. Dann glitt es in eine verhältnismäßig ruhige Ecke jenseits der Tafel. Cyn Cryver lächelte und blickte Korkhann an.
»Einer der etwas entfernteren Verbündeten des Imperiums, Lady, der sich aus Gründen der Höflichkeit verhüllt. Er nimmt in meinem Land die gleiche Position ein wie Minister Korkhann in Ihrem Reich.«
Er tauschte einen Gruß mit Gordon und setzte sich. Das Fest ging weiter. Gordon fiel auf, daß Korkhann angespannt und beunruhigt war. Seine krallenfingrigen Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft um den Becher. Der Lärm wurde wieder fast unerträglich, genau wie die Hitze. Trotz der Ausgelassenheit der vielrassigen Gäste spürte Gordon eine Unsicherheit, als hätte sich ein Schatten über die Halle gesenkt. Sserk und einige andere erwachsene Gerrn schienen ihre Lust am Trinken und Feiern verloren zu haben. Einer nach dem anderen begannen sie, unauffällig aus der bunten Menge zu verschwinden.
Gordon fragte sich, ob sie ebenso wie er die Gegenwart des vermummten Fremden als einen eisigen Hauch verspürten. Die Ecke, in der das Wesen stand, war von allen anderen verlassen. Gordon fröstelte und wurde das Gefühl nicht los, daß das verdammte Ding hinter seiner grauen Kapuze ihn unentwegt anstarrte.
Im Ring fand ein neuer Kampf statt, und Blut floß. Lianna erhob sich. »Ich will dich deinem Vergnügen überlassen«, wandte sie sich eisig an ihren Vetter. »Morgen werden wir alles besprechen.«
Gordon nahm die Chance zum Aufbruch wahr und stand an ihrer Seite, noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte. Doch Narath Teyn bestand darauf, sie zu begleiten. So blieb Gordon keine Wahl, als ihnen, mit Korkhann an seiner Seite, den breiten Treppenaufgang hinauf zu folgen. Der Lärm aus der Halle verklang allmählich, während sie den gewölbten Korridor entlangschritten.
»Es tut mir leid, wenn meine Freunde deine Gefühle verletzten, Kusine Lianna. Ich habe mein ganzes Leben mit ihnen zusammen verbracht, und ich vergesse, daß anderen vielleicht ...«
»Ich habe absolut nichts gegen deine Freunde«, versicherte sie ihm, »wenn du die nichtmenschlichen meinst. Du bist es, der meine Gefühle verletzt. Und Cyn Cryver.«
»Aber Kusine ...«
»Du bist ein Narr, Vetter. Und du spielst mit Einsätzen, die viel zu hoch für dich sind. Du hättest dich zufriedengeben sollen hier in deinen Wäldern mit deinen Gerrn.«
Gordon bemerkte, wie Narath Teyns Züge hart wurden. »Eine Krone verleiht ihrem Träger wohl alle Weisheit. Ich werde mich nicht mit dir streiten.«
»Dein Spott ist fehl am Platz, Vetter, da du bereit bist, für diese Krone zu morden.«
Narath Teyn starrte sie überrascht an. Er leugnete es nicht ab, und sie gab ihm auch
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